Sibylle Lewitscharoff - Blumenberg
- Название:Blumenberg
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- Издательство:Suhrkamp
- Год:2011
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Sibylle Lewitscharoff - Blumenberg краткое содержание
Grande admiratrice du philosophe, Sibylle Lewitscharoff, dans ce roman qui multiplie les allusions a Lions, evoque surtout le penseur dans son cabinet de travail. On pourrait parler en l'occurrence de portrait moral d'un saint moderne qui, tel saint Jerome (la comparaison est explicite), a voue son existence a l'etude dans la solitude de sa retraite. Dans le roman, la metaphore devient realite, le lion de la legende de Jerome se concretise dans son bureau, devient donc present mais tout en restant, comme la realite, impossible a atteindre. Les 5 chapitres intitules Le lion (numerotes de I a V) constituent, avec les chapitres Coca-cola et Egypte, une biographie intellectuelle de Blumenberg et un bel hommage a un maitre venere. Parallelement a ce portrait, dans des chapitres qui en sont presque independants, l'auteur a voulu construire une sorte de conte philosophique et moral, a propos du rapport d'un individu avec un maitre (illustre par 5 exemples). Dans la petite ville de Munster, dans les annees 80, quatre etudiants suivent les cours brillants — decisifs pour le destin de chacun d'eux — du celebre philosophe. Le premier (et le seul des quatre a avoir un bref entretien avec le professeur), Gerhard (chap. Optatus, Dimanche, L'ange annonce et Heilbronn), studieux et brillant, deviendra lui-meme professeur de philosophie. Sa petite amie, Isa, inquiete et passablement exaltee, est tourmentee en secret par une passion morbide pour le maitre, ce qui la conduira au suicide (chap. Optatus, Dimanche et N 255431800). Leur ami, Richard, reve du maitre comme d'un sauveur et, decu, va poursuivre en Amazonie son reve infantile de salut (un recit d'une sombre beaute, en 3 chapitres consecutifs, Richard, etc.). Hansi, quant a lui, transforme en delire l'enseignement du maitre et s'enfonce lentement dans la folie (chap. Hansi et Addenda). Un cinquieme personnage au caractere bien trempe, la religieuse Mehliss (chap. Souci universel), reconnait aussi la superiorite de Blumenberg, mais intuitivement (elle est la seule a voir le lion), sans rien savoir du philosophe. Tout le roman tient dans le recit de l'existence de ces differents personnages (aux destins contrastes mais independants, obeissant uniquement a une logique interne a chaque personnage) depuis le jour de leur rencontre avec le philosophe jusqu'a leur mort… et meme encore plus loin, dans un au-dela explicitement inspire de Beckett ou le dernier chapitre les reunit tous, en compagnie de Blumenberg. Ne en avril 1954, Sibylle Lewitscharoff est l'auteur d'une oeuvre riche et reconnue en Allemagne. Ce titre, pour lequel il lui a ete decerne plusieurs prix est le son premier ouvrage a etre traduit en francais.
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Sie ließ vom Knopf wieder ab und ging vor den Fenstern hin und her. Vielleicht sollte sie an seinem Haus vorbeifahren, nur um zu sehen, ob der Strauß noch vor dem Eingang lag.
Bestimmt nicht.
Der Alfa war gestern abend, als sie ins Kino wollte, nicht angesprungen und würde sich jetzt ebensowenig vom Fleck rühren. Vierundzwanzig weiße Lilien, gehüllt in weißes Seidenpapier, umschlungen von einem grünen Samtband mit winziger Karte, Samtband, das man zu Rokokozeiten am Kleid getragen hätte, um den Busen abzuschnüren. Im Papierwickel unten ein Tütchen Blumenfrisch , damit sie länger hielten. Sie ärgerte sich. Das Tütchen war der Gipfel der Albernheit. Wie lange hielten sich Blumen maximal, wenn man ihnen regelmäßig frisches Wasser gab und sie anschnitt? Fünf Tage, zehn Tage? Sie wußte es nicht, hatte mit Schnittblumen keine Erfahrung. Ihm war zuzutrauen, daß er Blumen haßte.
Springsteen röhrte sich nun zum dreiundzwanzigsten Mal das ausgetrocknete Flußbett hinab.
Das Kärtchen! Ob er es überhaupt gelesen hatte? Verwundert? Amüsiert? Das Ding zwischen den Fingern gedreht und was Kluges oder was Schleimiges dazu gesagt? Oder hatte seine Frau den Strauß gefunden und ihn mitsamt Kärtchen gleich in den Müll geworfen? Warum bloß war sie auf so eine Schnapsidee verfallen. Wenn er’s gelesen hatte, war’s doppelt und dreifach peinlich. Peinlich, peinlich, peinlich. Sie wollte sich jetzt nicht erinnern, was sie da geschrieben hatte. Blablabla, der typische Verliebtenstuß, weil ich nicht anders kann, als Sie mit jeder Faser meines Herzens verehren . Schwachsinn. Einen Mann mit kahler Schädeldecke und kleinem welligen Haarkranz an den Seiten verehren. Der reine Schwachsinn. Sie hatte ihn bloß gefoppt. Ihren Namen hatte sie zwar nicht preisgegeben, aber er war bestimmt draufgekommen, er hatte sie ja immer angesehen während der Vorlesung, hatte aufgeblickt, sie angesehen und in ihren Augen das große Licht entzündet. Dochdoch, das große Licht. Seither war sie gebenedeit, nein, Blödsinn, gepeinigt in seinem Namen.
(Daß es sich mit dem Blumenstrauß anders zugetragen hatte als ausgemalt und befürchtet, konnte Isa nicht wissen. Ein junger Mann war in der Dämmerung am Grünen Weg 30 vorbeigelaufen, hatte den Strauß hinter dem Gartentor liegen sehen, hatte sich unbemerkt hineingeschlichen und ihn entwendet, um ihn seiner Liebsten zu bringen, das Kärtchen natürlich abgerissen und in einen Papierkorb geworfen, wo es den üblichen Weg der Leerung, des Mülltransportes und schließlich der Verbrennung ging.)
Auf ihrer Haut überlief sie’s wirr. Er und sie lebten in einer kleinlichen Welt voller Nein. Sie würde jetzt alles auseinanderfalten, was in ihr war, Böses, Gutes, Dummes, Gescheites, Peinliches. Zeit, mit der eigenen inneren Weltauslegung zu beginnen. Peinlich, sie war peinlich. Die unwiderrufliche Wohlgelittenheit hatte sie nicht bei ihrem Gott gefunden und war dadurch peinlich geworden.
Es goß in Strömen . Sie war durchnäßt.
Scheiße! überbrüllte sie Springsteen.
Sie waren nicht zwei verzweifelte junge Leutchen, nicht Romeo und Julia aus der amerikanischen Provinz, die keinen Ausweg wußten. Peinlich, peinlich, der Gott ihrer Wahl war ein alter Mann.
Es goß in Strömen . Der Scheibenwischer arbeitete wie verrückt. Blumenberg öffnete die Wagentür.
Mit Springsteens Stimme und einem über die Schulter gehängten Täschchen wanderte Isa aus dem Zimmer, wanderte aus der Wohnung, wobei sie keine Mühe darauf verschwendete, die Tür hinter sich zuzuziehen, wanderte zu ihrem Fahrrad, das sie unverschlossen vor dem Haus abgestellt hatte, setzte sich auf den Sattel und fuhr los. Erst als sie hundert Meter oder mehr gefahren war, hörte sie Springsteens Stimme nicht mehr.
Es machte Spaß, in den leeren Straßen herumzufahren, nachmittags bei warmem Wetter. Wie dumm, daß ihr mitten in der Stadt ausgerechnet Gerhard in die Quere kommen mußte, vielleicht aber auch nicht dumm, immerhin, er hatte ein Anrecht auf ein bedeutendes Wort, das er immer behalten würde. Aber sie durfte sich nicht ablenken lassen, von ihm schon gar nicht, Gerhard war stur, der gab nicht so schnell auf, sie radelte wieder los und radelte und radelte, wobei es ein Wunder war, daß sich das lange Flatterkleid nicht in den Speichen verfing, sie kannte den Weg, den sie schon öfter mit dem Alfa gefahren war, er führte auf breiten Straßen aus der Stadt hinaus, wo der Verkehr mächtig zunahm und sie selbst, das fühlte sie deutlich, in ihrem weißen Kleid wie ein Engel, ein Blumenmädchen aus dem Nirgendwo, das nicht in solchen Verkehr gehörte, wahrgenommen wurde inmitten all der sonntäglichen Kaffeefahrer, die sie verblüfft überholten, nichts konnte, rein gar nichts konnte ihr geschehen, sie hätte auch gegen den Gegenverkehr anfahren können, sie war der lebendige Gegensatz zur Welt und auf der Flucht, auch Fliehen ist Handeln, und Blumenberg — Blumenberg hatte ihr diesen Gegensatz angesonnen, Blumenberg hatte ihr Bescheid gestoßen, er schob sie von hinten an mit seinem langen, ellenlangen Zeigefinger, den er ihr in den Rücken gebohrt hatte und mit dem er bis an ihr Herz vorgedrungen war, fahr, fahr, fahr voran, mein armes durchtränktes Seelchen, fahr, du schlägst noch mit den Flügeln und erhitzt dich im weißen Kleid, bräutlich gestimmt nach Art der Engel, nicht der Menschen.
Der Himmel hatte sein leichtgewichtiges Blau verloren und sich mit Blei bezogen. Isa schwitzte. Ihre Finger krampften sich um den Lenker.
Am Ziel angekommen, stieg sie umständlich vom Rad. Auf einer Brücke, unter der die Autos dicht an dicht durchfuhren, drei Spuren hin, drei Spuren her. Es kam jetzt auf jede noch so kleine Bewegung an, obwohl ihre Arme und Beine, bedeckt mit einem Schweißfilm, zittrig und krampfig vom langen Radfahren, nicht richtig gehorchten. Ein Schwarm Krächzvögel flog dem fernen Wald zu. Grober Spott lag in ihren Stimmen. Nicht sich beirren lassen. Die Bewegungen mußten verständig ausgeführt werden, ein Guru hatte zu Meditationszwecken das Heben und Senken der Beine, das Heben und Senken der Arme, Stehen und langsames Gehen befohlen, Ferse abrollen, auf den Zehenspitzen wippen, weiter so.
Sie hatte das Perlentäschchen in den Fahrradkorb gelegt. Ein Geschenk der Mutter. Es hatte eine besondere Bewandtnis mit diesem Täschchen. Ein Gefangener hatte Perle um Perle aufgestickt, eine leicht kitschige Geduldsarbeit, die sie immer im Schrank verwahrt hatte, weil es ihr unmöglich war, mit einem an einer Kette hängenden Perlentäschchen, so einem niedlichen, süßen Ding, das dauergewellte Frauen abends ins Theater oder in die Oper mitnahmen, mit so einem Ding in Münster herumzulaufen. Weil ein Gefangener, sogar ein Lebenslänglicher, es gemacht hatte, hielt sie es trotzdem in Ehren.
Mein Geschlechtstäschchen, sagte sie laut und kam darüber ins Lächeln, sogar mit rotem Innenfutter.
Was genau war denn im Geschlechtstäschchen drin? Hm? Ein lauer Wind fuhr in ihre dünnen Haare. Sie grübelte mit zusammengezogenen Brauen wie ein Kind, das Fünf und Sieben zusammenzählen muß, während die Hände das Brückengeländer umklammerten und das rechte Bein auf die andere Seite schwang: Ein Hundertmarkschein ist drin, Dummkopf, das mußt du doch wissen, in der kleinen Börse mit dem Druckknopf, der nicht richtig schließt, bißchen Kleingeld, bestimmt ein Fünfmarkstück und paar Zehner, und was ist mit dem Tempotaschentuch, hm? wozu braucht’s denn ein Tempotaschentuch? ein oder zwei Tempotaschentücher, verkrumpelt, mit Rotz drin, hm? nicht schön gefaltet, nicht sauber, ja und was haben wir denn in dem kleinwinzigen Innentäschchen? einen Lippenstift von Chanel, hellrot, der so trocken klackt, wenn man die Haube abzieht, und das Puderdöschen, ös-chen, ös-chen, wieder so ein niedliches Ding mit falschen Brillanten als eingelegte Sterne auf blauem Grund, wenn man’s öffnet, schlägt’s wie ein Schmeichler die Augen auf, das unschuldige Ding, und, ja was denn noch? noch was und noch was, werden wir hier denn nie fertig, der Augenbrauenstift, von dem immer die Kappe herunterrutscht, ein Lippenkonturstift — unten im Verkehr tauchte ein großer, langer gelber Laster auf — und nicht vergessen, ja nicht vergessen, was denn? den Personalausweis natürlich, kleiner Dummkopf, wo hast du bloß deinen Kopf, den Personalausweis hat ein ordentliches Schwabenkind immer dabei, ausgestellt in Heilbronn mit einem Bild, auf dem das Persönchen in Schwarzweiß aussieht, als wär’s bös auf die Welt, aber was, um Gotteswillen, was will jetzt der Spatz auf dem Geländer, der so lustig mit dem Kopf ruckt, der — da war das linke Bein hinübergeschwungen, waren die Hände gelöst, und sie flog auch schon, flog engelgleich –
Wenn immer behauptet wird, in den letzten Sekunden zöge das Leben in rasendem Lauf vorüber, so trifft das in dem Fall nicht zu. Isa dachte an ihren Augenbrauenstift. Nicht an Blumenberg, wie es doch zu erwarten gewesen wäre. Bestimmt hatte sich die Kappe wieder gelöst und der Stift das Innenfutter verschmiert; sie flog und dachte mit aller Gewalt an die Schmiererei, biß die Zähne zusammen, fest, daß vom oberen linken Schneidezahn ein Stück absplitterte. Eine zu vernachlässigende Größe gemessen daran, was alles splitterte und brach, als der Körper auf dem Asphalt aufschlug.
Kurzes Zwischenstück darüber, wo die Zuständigkeit des Erzählers endet
Was weiß ein Erzähler, was weiß er nicht? Ob der Erzähler wirklich wissen kann, was einem Selbstmörder zuletzt in den Sinn kommt, ist fraglich. Natürlich, welche Kleidungsstücke getragen wurden, wie die Verlassenschaft aussah, welchen Anblick die Leiche bot, wie nah- und fernstehende Menschen darauf reagierten, das alles hat der Erzähler bis ins kleinste Detail bei sich vermerkt; er braucht nur geschickt zu wählen, geschickt auszulassen, und er darf dabei nicht allzu streberhaft sein Aufzählungsmaschinchen in Gebrauch nehmen (unter einem Riesenhaufen an Kleinigkeiten wird sonst unmerklich und ohne Gefühlsverhaftung weggestorben). Gesetzt den Fall, all dies sei berücksichtigt und mit dem nötigen Schwung versehen: siehe da, vor den Augen des mitfühlenden Lesers löscht sich ein Buchstabenleben selbst aus.
So ein Selbstmörder tut’s schlüssig, auch wenn er vorher noch ein wenig gezögert, die eine oder andere Hampelei ihn aufgehalten haben sollte, was der Erzähler selbstverständlich auch weiß, weil er ihn ja tage- und wochen-, vielleicht monatelang bei der Vorbereitung des Schlamassels hat beobachten können. Aber was genau der Selbstmörder gedacht hat? Gedankenhetze, Gedankenstillstand im letzten Augenblick? Oder der totale Rückblick, inwärts in Zeitlupe, von außen gesehen als Raffung? Sekunde der Befruchtung der Eizelle? Geburtsschrei, erster Klaps auf den Po? Kehrt, was in der Kümmerlichkeit der Erinnerung nicht geborgen ist, mit Macht zurück? Über das Individualgedächtnis hinaus? Durch alle auf der Erde stattgehabten Formen hindurch bis zur Schöpfungsnanosekunde, damit alles Gewesene innerhalb einer Sekunde imaginativ vernichtet wird und das große Aufzehren alles nimmt, was je in die Existenz eingetragen wurde?
Mit welcher Überlegenheit auch immer der Erzähler vorgibt, Bescheid zu wissen, er fischt hier bloß Luft aus der Luft. Wenn er ehrlich wäre, müßte er passen. Der Fall Isa scheint zunächst klar. Wir haben es mit einer Verliebten zu tun, die sich im Irrealis verfangen hat. Eine riesige erotische Sehnsuchtswolke trägt die schmale Person mit sich herum, geschwellt von unerfüllbaren Wünschen, die bis in den Himmel hinaufsteigen; auf ihr tyrannisches Geheiß springt sie von der Brücke. So weit, so plausibel. Die Verfinsterung treibt und bläht den Menschen, überstäubt ihn mit falschem Zucker, bis kein Genuß in der Wirklichkeit mehr möglich ist. Aber krallt sich die Wirklichkeit nicht jäh an den todbereiten Menschen an, genau in dem Augenblick, in dem es zu spät ist? Wenn eine besonnene Rückkehr nicht mehr möglich ist? Und als was blitzt das Wirkliche auf und strahlt in unwahrscheinlichem Glanz? Kleinklein, als Inhalt eines Krimskramstäschchens? Oder anders, als Spatz, in dessen ruckhaftem Hupf und Köpfchenwenden Heiterkeit und Anmut geborgen sind, daß man sich eigentlich bloß an den Haaren fassen und vergnügt loskichern müßte? (Ironie des Spatzen: hätte sich Isa in die Haare gegriffen, wäre sie aus der Balance geraten, und die Schwerkraft hätte sie ebenso erledigt.)
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