Gustav Freytag - Die Ahnen
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»Es ist eine Kinderlist,« sagte sie, »vielleicht hilft sie doch Kluge täuschen.« Darauf zogen sie im schwarzen Tal entlang, das Wasser zur Linken, bis ihnen ein Bach, der aus der Richtung ihrer Heimat in die Schwarza rann, den Weg hemmte. An dieser Wasserrinne zogen sie talauf, endlich erstiegen sie langsam und mit müden Beinen eine Bergleite und gingen auf dem Rücken noch eine Strecke dahin, während der Himmel sich rötete. Da fanden sie ein altes Verhau, das früher einmal Jäger oder flüchtige Talleute zusammengeworfen hatten, sie drängten sich hinein, suchten den Quell und zündeten im Abendlicht unter den Bäumen ihre Feuer an. Die Frauen bereiteten für Walburg ein Lager von Heidekraut und rüsteten wilde Nachtkost. Die Kinder aber lagerten sich im Kreise um Gottfried und dieser erzählte ihnen die Geschichte von einem Königsohn aus Morgenland, der Joseph hieß und den seine Brüder in eine tiefe Grube warfen, die ganze Geschichte bis dahin, wo Joseph seinen alten Vater wiederfand und küßte. Die Kinder saßen um ihn, die kleinsten drückten sich an seine Arme und hingen sich an seinen Hals, die blauen Kinderaugen blickten ihn so gespannt und so fröhlich an, daß er sich vorkam wie ein Seliger unter den Engeln. Und als er geendet hatte und alles um ihn her schwieg, rief ein kleiner Heidenknabe, den sie Bezzo nannten, indem er an ihm hinaufkletterte und seinen Hals umfing: »Ich bin Joseph, und ich will essen.« Alle lachten und sahen auf Gertrud, welche mit einem Holzstabe im Topfe rührte. Da hockten die Kinder um das Feuer, und die Frauen teilten ihnen auf Tellerlein von Rinde die Bissen zu, worauf die Frauen auch der eigenen Mahlzeit gedachten. Gottfried aber sang den Kindern das Nachtgebet vor, und ein grauer Waldvogel knarrte zu dem Amen der Gemeinde seinen rauhen Triller, gerade wie einst in der Zelle unter den Brüdern der alte Hunibert, welcher harthörig war. Dann legte Gottfried die Kinder zur Nachtruhe; aneinandergeschmiegt, die Köpfe ins Moos gedrückt, schliefen sie ein.
Neben ihm saß eine junge Heidenfrau, verworren hing ihr das Haar um das bleiche Gesicht, und ihre Augen starrten ausdruckslos umher. Sie war die zwei Tage schweigend unter den anderen hingewankt, und mit scheuer Teilnahme hatten die Frauen ihr gedient, wie unglücklich sie auch selbst waren. Jetzt öffnete sie zum erstenmal die Lippen: »Gut sorgst du um die Lebenden, Fremdling; aber wenig nützt deine Mühe dem toten Kinde, das zerschlagen am Wege liegt, klein waren seine Beinchen und es weinte, da es lief. Jetzt wischt wohl sein Schatten in der Nacht längs dem wilden Wege und sucht die Mutter, oder es sitzt tief unten im Brunnen, wo die weiße Frau die armen Kinderseelen hütet, kalt ist das Wasser, stumm kauert das Kind, und die Mutter sehnt sich und verhaßt ist ihr das Leben.«
Gottfried kniete zu ihr in das Moos, auch ihm rannen die Tränen vom Angesicht. »Die weiße Frau kenne ich, welche dein totes Kind behütet, und den Weg weiß ich, der zu ihr führt; denn uns ist etwas verkündet von den Kleinen, und es steht in den heiligen Büchern geschrieben: Der Kleinen ist das Himmelreich. Nicht im kalten Brunnen kauert dein Liebling, die Jungfrau Maria ist‘s, wie ich meine, welche hoch oben im Himmel über den Kindern waltet. In Wonne leben sie und schwingen ihre Flügel und hohe Engel heißen sie unter den Menschen. Selig jauchzen sie dem Frommen entgegen, der aus der Erde aufsteigt in den Himmelssaal. Harre, Frau, und vertraue, auch dir wird dein Engel entgegenfliegen in deiner letzten Stunde und wird dich hinaufführen in den Saal der ewigen Freude.«
Das Weib weinte laut, dann legte sie die Hände über die seinen und flehte angstvoll an ihm niedersinkend: »Bete deinen Sang, damit ich es wiederfinde.«
Gottfried sprach ihr die fromme Bitte vor und sie wiederholte stöhnend die Worte.
Zuletzt trat er zu Walburg, sah zu, ob ihr die Wunde genetzt war, und segnete sie. Die Kranke versuchte sich aufzuraffen und drückte ihm dankbar die Hand. Der Mönch zog seine Hand zurück, aber die Hand bebte. »Nicht mir erweise treue Gesinnung, Jungfrau,« sprach er, »denn wenn ich für dich sorge, so geschieht es nicht, um dir gefällig zu werden, sondern weil ich nach dem Befehl des großen Himmelsgottes handle. An ihn denke, ich bin nur wie der Windhauch, der dir seine Stimme zuträgt, daß sie in dein Ohr tönt. Von Vater und Mutter bin ich gewichen, und von meiner Schwester Herzen habe ich mich gerissen, keinem Menschen zuliebe darf ich handeln, nur ihm diene ich und was er mir gebietet, das tue ich, sei es mir schwer oder leicht.« So stärkte er seufzend sich selbst.
Walburg sank auf ihr Lager zurück, und Gottfried schritt mit gesenktem Haupt zum Eingang des Geheges. Die Nacht stieg herauf, die Frauen lehnten die Köpfe an die Baumstämme, und Gottfried saß lange allein mit seinen Gedanken, bis auch ihm der Schlummer die Augen schloß. Und im Schlaf machte er das Kreuz, wenn das Gebell der Waldtiere aus der Tiefe scholl und der Schrei des Uhus.
Wolfram schaute müde nach dem Morgenhimmel, als auf der Höhe Zweige brachen und Ingram herabsprang. Mit verstörtem Antlitz rief der Held: »Nur ein Zeichen sah ich, die Feuer der Sorben, mit zwanzig Pferden liegen sie an der Saale. Zwei Jägerhaufen neiden einander das Wild; neu beginnt die Suche; auf die Rosse und hinein in den Wald!«
5. Die Versammlung am Walde
Wie ein wilder Eber schnaubend in sein Lager fährt, wenn er mit Mühe das Gebiß der Hunde vermieden hat, so sprang Ingram in den Rabenhof. Er schüttelte Wunihild, die Sklavin, von sich ab, als sie ihm die Arme entgegenstreckte, auch seinen Knechten, die ihm frohen Gruß zuriefen, gab er kurze Antwort; mit brennenden Augen, sehnsüchtig nach Schlaf warf er sich auf sein Lager, aber jammervolle Gedanken rissen ihn hin und her. Ohne Schwert und Roß, als ein entwichener Knecht kehrte er in den Hof seiner Väter zurück, alles sah er noch einmal vor sich: die höhnende Miene des Sorben, das brennende Dorf, ein Weib, das sich zornig von ihm abwandte, und den fremden Knaben, vor dem sie kniete. Er ballte die Faust und schleuderte das Fell seines Lagers von sich. »Sind sie im Dorfe?« rief er dem eintretenden Wolfram entgegen.
»Unten wachten nur noch wenige, und keiner wußte von ihnen zu sagen, auch um die Hütte des Priesters war es leer und still,« versetzte sein Mann, »sind sie geflogen, wer weiß, wo sie anhalten, und sind sie in einen Berg entrückt, wer weiß, wann sie zurückkehren.« Ingram eilte zur Tür. »Wohin, Herr?« rief der Mann, ihn kräftig festhaltend. »Nach solcher Hetzjagd und vier schlaflosen Nächten ist dir der Sinn verstört, ich leide nicht, daß du noch einmal zu Rosse steigst. Wir haben getan, was in Manneskraft stand und noch mehr. Auf unserer Spur haben wir die Sorben fortgelockt; wandeln die Verschwundenen mit ihren Füßen auf der Erde, so haben wir sie dadurch vielleicht von den Feinden gelöst. Was der wilde Wald an ihnen getan, das konnten wir nicht ändern. Waghalsig sind wir den heimkehrenden Sorben wieder nachgezogen, doch spurlos blieben uns die Flüchtigen auch während dem zweiten Ritt. Wären es die Häupter unserer Brüder, wir hätten nicht tollere Jagd um sie reiten können. Jetzt ist die Kraft vertan; sorge für dich selbst.« Mit solchen Reden zwängte er den Herrn auf das Lager zurück und setzte sich zu ihm. Er erzählte ihm immer wieder von den Waldwegen, die sie kreuz und quer gemacht hatten, und wie wahrscheinlich es sei, daß Zaubergebet des Priesters die Wallenden der Gefahr enthoben habe, bis Ingrams Haupt auf den Pfühl zurücksank und ein unruhiger Schlaf ihm die Besinnung nahm. Da erst schlich Wolfram in seine Kammer.
Als Ingram spät am Morgen aus wirrem Traum auffuhr, stand Wolfram wieder an seinem Lager. »Es war unrecht, dich zu wecken, Herr, aber Unglaubliches wird dein Auge sehen, wenn es dir gefällt, vor das Tor zu treten. Das Tal ist verwandelt, viele Männer aus der Landschaft sehe ich gesammelt, auf allen Wegen ziehen die Krieger in ihrem Festkleide heran, auch Weiber darunter, was doch sonst bei einem Volksrat unerhört ist. Um das Haus des Memmo drängen sich Heiden und Christen. Herr Gerold ist selbst gekommen, der neue Graf, welchen der Frankenherr als Grenzwächter geschickt hat, und mit ihm Frau Berswind, sein Gemahl, die rundliche Frau. Ich sehe viele Speere der Häuptlinge und Männer aus allen Walddörfern. Auch in deinem Hofe stampften die Rosse guter Genossen. Dein Gesell Bruno harrt deiner, Kunibert und andere mit ihrer Freundschaft, denn große Botschaft des Frankenherrn ist angekündigt, und um den Fremden geht die ganze Bewegung.« Ingram sprang vom Lager und vor das Tor, wo ihn eine Anzahl ehrbarer Landleute mit würdigem Gruße empfing und neugierig sein verstörtes Aussehen musterte. Aber ihm wie den anderen zog es den Blick abwärts nach dem Anger und den Wiesen, die sich um das Haus des Christenmannes Memmo breiteten. Auch er sah betroffen das festliche Gewühl, stampfende Rosse, bewaffnete Reisige und zahlreiche Haufen der Landgenossen, welche wie bei einem großen Volksmarkt bis weit über das Feld standen und lagerten und sich noch unablässig durch Zuzug vermehrten. Er erkannte die Banner mehrer Edlen, welche mit ihrem Gefolge herangezogen waren, vor anderen solche, die dem Christenglauben geneigt waren, wie Asulf, einer der ersten im Lande. Auch Gundhari, Rotharis Sohn, der wohlhäbige Mann, bewegte sich rührig durch die Haufen, Godolav war da, ein großer Mann aus den Thüringen, die man Angeln nannte, weil ihre Väter vor alter Zeit von einem Nordvolk in das Land gedrungen waren, dann der Häuptling Albold, Albharts Sohn, dessen Erbgüter an die Dorfflur grenzten. Aber auch Edle der Heidenschaft schritten in der Menge einher, unter ihnen mancher, der dem neuen Glauben bitterfeind war. »Wahrlich«, rief Wolfram in neuem Erstaunen, »viel Ehre erweisen unsere Herren dem zugewanderten Fremden, daß sie ihn hier in der schlechten Hütte aufsuchen unter einem Dach, dem die Schindeln im Winde davongeflogen sind.«
»Niemals hätte ich gemeint, daß so viele in unserem Lande leben, die sich vor dem Marterholz neigen«, begann Bruno, Bernhards Sohn, ein ansehnlicher Mann aus dem freien Moor, dessen Geschlecht seit alter Zeit mit dem Hofe des Ingram befreundet war. »Der Fremde hat mit seinem Stabe die ganze Landschaft aufgerührt wie einen Ameisenhaufen, auf allen Pfaden sind die Boten geritten; er selbst war nach dem Markte Erfesfurt gewandert zum Grafen, der dort gerade Gericht hielt, und Herr Gerold hat sogleich zwei von seinem Gesinde drüben in den Meierhof gelegt, damit sie für den Fremden reiten und ihn beschirmen. Seht, dort tritt der Fremde aus dem Hause, ganz verändert ist er in Kleidung und Gebärde, und wie ein großer Herr wandelt er dahin.«
Winfried schritt aus der Hütte in bischöflichem Talar, von Seide und Gold glänzte sein Gewand, in der Hand hielt er den gekrümmten Stab, hinter ihm gingen Memmo und ein anderer Priester. »Da ist auch Bardo, der Graurock, der an dem Tische des Grafen sitzt, ein guter Trinker war er sonst, und manchen Bissen Roßfleisch sah ich ihn tilgen beim Opferfest. Heut wandelt der streitsüchtige Mann demütig hinter dem Fremden. Wahrlich, viele Nacken weiß dieser Mann zu beugen.«
»Nicht die unseren«, rief Ingram und wandte dem Tale den Rücken.
Aus der Niederung stieg Kunibert, ein älterer Mann aus der Freundschaft des Ingram, zu den Landleuten herauf. »Betört sehe ich alles Volk,« begann er; »auch du, Ingram, bist, wie ich höre, im Dienste des fremden Bischofs geritten.«
»Ich zog in meiner eigenen Sache zu den Sorben«, versetzte Ingram finster. »Ihr aber seid versammelt, wie ich sehe, euch vor dem Fremden zu beugen.«
»Du weißt nicht, was ihm vor dem Volk die Ehre gibt, er hat lateinische Botschaften in das Land gebracht, einen Brief des Frankenherrn an unsere Häuptlinge und das ganze Volk, der seinetwegen geschrieben wurde. Gerold, der Graf, ließ den Brief durch seinen Priester lesen, unverletzlich soll der Mann unter uns stehen, der Frankenherr erklärt ihn für sein Mündel, suchen wir Urteil gegen ihn, so sollen wir unsere Klage an den Frankenhof tragen, unserem Gericht ist der Fremde enthoben. Das alles stand in dem Briefe, den der Priester deutete und der Graf bestätigte. Erstaunt war der ganze Ring, als er von der Tierhaut die Worte des großen Franken hörte. Schwer ist es, dagegen das Haupt zu erheben.«
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