Gustav Freytag - Die Ahnen
- Название:Die Ahnen
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Weit durch das Land lief das Gerücht von der neuen Schule und von der seltsamen Christenzucht. Obgleich das unkriegerische Wesen den Ansehnlichen mißfiel, so dünkte doch manchem vorteilhaft, einen jüngeren Sohn daran zu wagen, die armen Leute aber warben dringend um Aufnahme, und schon dachte Winfried daran, die Schule nach dem großen Markt der Thüringe zu verlegen.
Einige Frauen und Kinder waren durch ihre Freunde abgeholt worden, aber die Mehrzahl saß noch unter dem Schutz des Bischofs und begehrte sich kein besseres Glück, denn der Haushalt war wohlgeordnet, und aller Bedarf des Lebens wurde in fester Ordnung bereitet. Die Christen hatten nach der großen Versammlung auf die Mahnung des Bischofs freiwillige Spenden zugetragen: Lebensmittel, Flachs, sogar Viehhäupter. Anderes gewann eigener Fleiß der Hausenden. Was Wald und Flur von eßbaren Früchten bot, wurde gesammelt, die Ernte des Gutes von eifrigen Händen eingebracht, jedem einzelnen wußten die Väter nach seinen Kräften ein Amt zu geben, welches dem Haushalt nützlich war. Neben dem Meier und seiner Frau standen Walburg und Gertrud der Wirtschaft vor, die eine im Frauenhause, die andere in den Ställen und auf dem Felde. So oft Winfried von seinen Reisen heimkehrte, empfing er wie ein Gutsherr die Berichte seiner Getreuen, er stand fröhlich unter den Kindern, freute sich der guten Köpfe, welche Memmo lobte, und mahnte die Säumigen. Und jedesmal hatte er einen besonderen Gruß für Walburg und ihre Brüder.
Walburg war genesen. Memmo hatte seine ärztliche Kunst wohl an ihr bewährt, mehre Wochen hatte er ihr die Arbeit in freier Luft verboten, heut war ihr völlige Heilung verkündet und sie stand zum erstenmal im Hofe, das Antlitz zur Hälfte mit dem Schleiertuch bedeckt, welches nach dem Gebot des Paters die vernarbte Wange noch einige Zeit von der wehenden Luft scheiden sollte. Sie hielt eine Webe Leinwand an das Licht, prüfte die Fäden und maß an einem Stab die Länge, während zwei kleine Mädchen die rollenden Falten in ihren Schoß aufnahmen. »Es ist noch keine Herrenleinwand,« sagte sie in fröhlichem Eifer zu Gottfried, indem sie auf seinen stummen Gruß mit Kopfnicken antwortete, »denn der ehrwürdige Bischof wollte, daß wir zunächst für die Kinder arbeiten sollten. Denke, mein Bruder, jeder der Knaben soll zu seiner Wolljacke noch zwei Hemden und ein Paar Bundschuhe erhalten. Wie Söhne von Häuptlingen werden sie einhergehen, und das ist gut, damit sie jedermann achte, weil sie doch jetzt deine Schüler sind. Und dann sind noch Betten zu stopfen für Große und Kleine, und Inlett und Überzug zu nähen, und wir haben alle Hände voll zu tun, damit das Haus in Ordnung sei, wenn der kalte Winter kommt. Viele kleine Betten sind nötig, denn der Herr Winfried will wieder, daß jedes der Kleinen sein eigenes Bett habe, was hierzulande unerhört ist. Aber braunes Wolltuch ist bereits vorhanden, und gern möchte ich vor den anderen dir ein Hausgewand nähen; denn, verzeihe, Bruder Gottfried, wenn ich es sage, das, welches du trägst, wird fadenscheinig und wir bekümmern uns darüber.«
»Sorge nur für die anderen,« versetzte Gottfried, »wird mein Rock schlecht, so webe und nähe ich mir selbst einen, oder empfange einen anderen, den ein Bruder genäht hat; denn es ist nicht Brauch, daß ein Bruder Frauenarbeit trage.« Er sprach dies eifriger als not war und fuhr dabei dem kleinen Bezzo über den Kopf, der sich an den Füßen Walburgs anklammerte und, da sie ihn nicht beachtete, ungeduldig an ihrer Hüfte hinaufkletterte. »Sie drücken wieder«, rief Bezzo. »Er meint seine Schuhe,« erklärte Walburg, ihn auf den Arm nehmend, »er hat Heidenbeinchen, welche die Gebote des Bischofs nicht leiden wollen, und einen wilden Heidenkopf, und der Unhold weiß, daß er ein Liebling ist, weil er auf der Reise dir lieb wurde. Sei artig, Bezzo, und bitte den frommen Bruder, daß er ein Kreuz über dir schlägt gegen deine wilden Gedanken.«
Damit war Bezzo einverstanden, er strebte von dem Halse der Jungfrau heftig an den des Mönches und bat: »Ich will ein Kreuz auf den Kopf, denn da gibt uns Base Walburg Honigseim.« Walburg entschuldigte sich: »Man muß den Kleinen das Kreuz lieb machen.« Gottfried aber löste den Knaben errötend von Hals und Arm der Jungfrau, setzte ihn zur Erde und sprach ihm freundlich zu.
»Wir Frauen sehen dich jetzt selten in unserer Nähe,« fuhr Walburg treuherzig fort, »und doch hängen die Herzen alle an dir; während der Sorbenfahrt sorgtest du eifriger um uns.«
»Der Mönch ist ein ungeschickter Ratgeber bei Frauenarbeit,« antwortete Gottfried, »aber dir darf ich es sagen, im nächsten Frühjahr kommt Kunitrud, meine Schwester, aus Angelland hierher, sie wird mit euch hausen. Sie hat sich dem Herrn gelobt, geht geschleiert und soll die Herrin einer Frauengemeinde werden, sie ist weiser als ich.«
»Versteht eine Geschleierte auch Latein?« fragte Walburg erstaunt.
»Die ich nannte, spricht es wohl besser als ich, der ehrwürdige Vater rühmt ihre Kunst in den Versen; manches heilige Buch hat sie gelesen.«
»Wie werden wir vor solcher Frau bestehen?« rief Walburg erschrocken.
»Sie ist jung wie du, und, wenn ich nicht irre, so ist sie dir ähnlich in Antlitz und Gebärde,« versetzte Gottfried befangen, »ich hoffe, sie wird dir eine gute Gesellin werden.«
»Sie ist jung und hat sich dem Herrn gelobt?« fuhr Walburg nachdenklich fort, »so Großes hat die Jungfrau auf sich genommen? Denn ich weiß wohl, ist sie geschleiert, so darf sie im Mai nicht mehr mit den Mädchen auf die Wiese gehen, sie darf keinen Mann mehr freundlich grüßen und gar nicht an ein Ehegemahl denken und an Kinder im Hause. Das ist hohe und schwere Pflicht für ein junges Herz. Verzeih, ehrwürdiger Bruder,« unterbrach sie sich, als sie in das gerötete Gesicht des Mönches sah, »ich vergaß, daß sie deine Schwester ist, auch du hast dein junges Leben dem Herrn geheiligt, und wir anderen sehen‘s mit Staunen.« Gottfried neigte das Haupt, grüßte sie schweigend und ging schnell nach der Schule. Walburg aber trat an das Wasserbecken des Laufbrunnens, hob den Schleier und betrachtete die rote Narbe ihrer Wange; mit einem Seufzer ließ sie den Schleier herunter. »Dem Mädchen steht die Narbe übel im Gesicht,« sagte sie bedauernd zu sich selbst, »und schwerlich wird noch jemand meine Wange rühmen. Ob die Schwester aus Angelland auch eine Maser im Antlitz trägt, daß sie der Erdenfreude entsagt hat?«
Sie fühlte einen Schlag auf der Schulter und wandte sich rasch um, Gertrud sah sie lachend an und drückte ihr einen Kranz von Eschenlaub und roten Beeren auf das Haupt, wie die Mädchen im Herbst beim Tanze trugen. »Besseres Glück für die Zukunft«, rief sie. »Recht wohl steht dir der Kranz, wenn man auch nur deinen halben Mund lachen sieht.«
»Die frommen Väter verstehen alles,« versetzte Walburg, »sie wissen sogar ein Mädchengesicht wieder ganz zu machen.«
»Gute Männer sind die Langröcke«, rief Gertrud. »Aber meinst du, daß einer von ihnen stark genug ist, eine wackere Magd im Reigen um seine Hüfte zu schwingen?«
»Rede nicht so wild«, bat Walburg und hing den Kranz an den Brunnen.
Gertrud schlug ihre festen Arme übereinander und sah ihre Gefährtin spottend an. »Ich denke, du bist insgeheim ebenso gesinnt; denn alles hier ist sehr säuberlich, aber jauchzen habe ich noch niemanden gehört als etwa kleine Knaben, und auch die werden gemahnt, den Kopf zu neigen. In meinem Leben ging mir‘s niemals so gut als unter dem Kreuze, und ganz gern lernte ich das Kyrie und Amen rufen. Aber Mädchen, die ganze Herrlichkeit möchte ich in mancher Stunde dahingeben, wenn ich nur einmal mit einem frischen Knaben in der Sommermitte über das Nachtfeuer springen könnte.«
»Schweige von dem Heidenbrauch, daß dich nicht die Kinder hören«, mahnte Walburg.
»Bist du so ergeben, daß du keine Gedanken mehr hast, die über den Christenhof hinausgehen?« fragte Gertrud. Doch als sie den traurigen Blick der anderen sah, tat ihr die Frage leid und sie fuhr fort: »Wie kommt‘s, daß du nie zu mir von dem Manne sprichst, der deinetwegen an den Herd deines Vaters kam?«
»Ich scheue mich, andere nach ihm zu fragen,« versetzte Walburg traurig, »da ich nicht weiß, wie er gegen mich gesinnt ist. Die Frauen sagten mir, er reitet weit von hier im Heere der Franken. Immer stand sein Sinn nach einem großen Kriegszuge, und als er das letztemal am Main war, wollte er deshalb Kundschaft einziehen. Was siehst du mich so an, Gertrud?« rief sie heftig, »du weißt von ihm, was du mir nicht sagen willst; sei barmherzig und rede.«
»Hörtest du nicht, was viele wissen?« antwortete Gertrud, »das Grafengericht hat über ihn gesessen. Wenn sie ein Urteil gegen ihn gefunden haben, so mögen dir‘s andere künden, nicht ich.«
»Wo ist Wolfram?« rief Walburg. »Täglich habe ich nach ihm ausgesehen, aber verlassen liegt der Rabenhof.«
»Es geht dort still her,« antwortete Gertrud, »die Knechte und Mägde haben sich verzogen.«
»Wer füttert sein Vieh?« fragte Walburg schnell.
»Vielleicht, daß Wolfram noch dort verstohlen haust. Ist es dir Ernst, den Mann des Verschwundenen zu sehen,« fuhr sie leiser fort, »so will ich dir dazu helfen.«
»Schaffe ihn her«, bat Walburg angstvoll.
»In den Hof wagt er sich schwerlich, weil die Reisigen des Grafen um das Tor lauern. Da du jetzt in das Freie gehen darfst, so komm mit vor das Tor, doch verrate mich nicht, wenn ich dir helfe; denn was verstehen die Priester davon, wenn zwei einander liebhaben, sie werden klug tun, sich gar nicht darum zu kümmern«, und sie schwenkte ihren großen Sahnlöffel ohne Ehrfurcht gegen die Schule, in welcher Gottfried lehrte.
Als die Mädchen vor das Tor traten, sahen sie einen Haufen Volkes, wie er sich jedesmal sammelte, wenn der Bischof von einer Reise zurückerwartet wurde. Neben den Reisigen standen Arme und Kranke, welche sich Almosen und Heilung begehrten, Christen aus der Umgegend, die Segen oder guten Rat ersehnten. Seitwärts aber hielten Krieger in fremder Slawentracht; mit Abscheu erkannte Walburg die Mützen und den Pferdeschmuck der Sorben, unter ihnen den Weißbart aus dem Gefolge des Ratiz, stattlich angetan in langem Tuchrock mit glänzendem Schwertgürtel. Der Alte nahte den Frauen mit tiefen Verbeugungen und begann, die Pelzmütze in der Hand drehend: »Ganz gut gelang, wie ich merke, den Frauen die Fahrt über den Sorbenbach.« Walburg bezwang ihren Widerwillen, als sie antwortete: »Auch eure Reise zum großen Frankenherrn glückte in Frieden, soweit ich sehe.«
»Das Geleit deines Herrn des Bischofs war kräftig, wir sind wohlbehalten bis hierher zurückgekehrt. Aber mir ist damals vieles verbrannt, als ihr von uns wichet, und dem Alten tut eine Hilfe not.«
»Wir sahen auf der Fahrt die Röte, wenn wir uns rückwärts wandten.«
»Stroh brennt so leicht als Schindeln«, versetzte der Alte freundlich und blickte über die Holzdächer des Hofes. »Aber meine Landsleute bauen schnell, kommst du das nächste Mal zu uns, so findest du neue Strohdächer.«
»Nimmermehr begehre ich euer Dorf zu schauen«, rief Walburg in ehrlichem Abscheu.
»Möge dir alles werden wie du es begehrst,« antwortete der Weißbart demütig, »auch mir wäre lieb, wenn die Jungfrau dem Väterchen zu seinem Recht verhelfen wollte. Held Ingram, welcher unseren Banden entfloh, hatte, da er noch frei war, aus guter Meinung mir ein Stück rotes Tuch gelobt, damit ich ihm bewillige, dich zu sprechen. Ich habe es bewilligt; nach dem Tuche sehne ich mich noch. Dem Mann ist es seither auch hier übel gelungen, ich aber möchte nicht, daß sein Gelöbnis gegen mich unerfüllt bliebe. Vermag die Jungfrau mir zu meinem Rechte zu helfen, so wäre mir‘s lieb.«
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