Михаил Бахтин - Том 2. «Проблемы творчества Достоевского», 1929. Статьи о Л.Толстом, 1929. Записи курса лекций по истории русской литературы, 1922–1927
- Название:Том 2. «Проблемы творчества Достоевского», 1929. Статьи о Л.Толстом, 1929. Записи курса лекций по истории русской литературы, 1922–1927
- Автор:
- Жанр:
- Издательство:Русские словари
- Год:2000
- Город:Москва
- ISBN:5-93259-013-0 (т. 2) 5-89216-010-6
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Михаил Бахтин - Том 2. «Проблемы творчества Достоевского», 1929. Статьи о Л.Толстом, 1929. Записи курса лекций по истории русской литературы, 1922–1927 краткое содержание
Настоящим томом продолжается издание первого научного собрания сочинений М. М. Бахтина, начатое в 1996 г. выходом 5 тома собрания. В составе второго тома — работы автора о русской литературе 1920-х годов — первая редакция его книги о Достоевском (1929), два предисловия к томам полного собрания художественных произведений Л. Н. Толстого (1929) с черновыми архивными материалами к ним, а также (как приложение) — записи домашнего устного курса по истории русской литературы (записи Р. М. Миркиной). Еще одно приложение составляет публикация выписок из немецких философских и филологических сочинений (М. Шелера и Л. Шпитцера), сопровождавших работу автора над книгой о Достоевском, с переводом и комментарием. Том в целом обстоятельно комментирован.
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«Der religiöse 'Glaube' ist ja stets und immer ein 'Glauben an', nie ein bloßes 'Glauben, daß' — zwei grundverschiedene Dinge. Und soll ich sagen, was denn dieser 'Glaube an' eine charismatische Person eigentlich sei — im Unterschied von allen Glauben von Sachverhalten (dem Glauben, daß…), so finde ich keine andere Charakteristik als eben das, was wir geistig praktische Selbstidentifizierung mit einer Person — volles Sichselbsteinsetzen für sie und in sie nennen: Einssetzung der Personsubstanz hat Einsdenkung, Einswollung, Eins-fühlung dann allererst im Gefolge — und damit Um- und Einbildung des eigenen Selbst im Wesen und Gestalt des Meisters; eine dauernde dynamische Kette von immer neuen Gestaltreproduktionen der geistigen Gestalt des Meisters im Material der eigenen psychischen Gegebenheiten — vergleichbar der transversalen Wellenbewegung, bei der die Wellenge stalt auf immer neue Wasserteilchen übertragen wird» (Seite 101–102).
«Daß solcher 'Glaube an' als Geschenk, als Gnade, als Verliehen — nicht als spontane Leistung der Person — erlebt werden muß, ist — wenn man sein Wesen einmal verstanden hat — ein geradezu analytischer Satz. Das Ergriffenwerden, Gepakt-, überwältigtwerden durch die Wesensgestalt des Meisters ist hier so mächtig, daß der Akt der Zustimmung, der freilich ontisch in jedem 'Glauben an' liegt, in keiner Weise zu reflexivem Bewußtsein kommt. Gnadenwahl ist dann nur eine fragwürdige theologisch-metaphysische Rationalisierung dieses Grunderlebnisses des lebendigen Glaubensursprungs» (Seite 102).
«Viel Gutes darüber bei D.v.Hildebrand in: 'Der Geist des hl. Franziskus und der dritte Orden', München 1921. Ferner neuerdings L.Ziegler: 'Gestaltwandel der Götter', I. Bd.; das Kapitel über den 'Weg der Nachfolge'; die Charakteristik des Franz v. Assisi ist besonders gut geraten» (Seite 103).
«2. Joh. Jörgensen: 'Der heilige Franz von Assisi'» (Seite 105).
«Gutes Material zu einer Geschichtsphilosophie dieser abendländischen Gemütsgestalten enthalten die Werke 'Drei Stufen der Erotik' von E.Lucka und neuerdings das fleißige, ausgezeichnet gearbeitete, dankenswerte Werk von Paul Kluckhohn: 'Das Problem der Liebe im 18. Jahrhundert und in der deutschen Romantik.' Halle 1922» (Seite 110).
«In dem Gesagten liegt erstens, daß Liebe und Haß nicht etwa relativ sind auf die Beziehungspunkte 'Ich' und der 'Andere'; d.h. Liebe und Haß sind keine wesentlich sozialen Verhaltungsweisen [363], wie z.B. die Funktionen des Mit-fühlens sind. Man kann z.B. 'sich selbst lieben oder hassen'; nicht aber kann man mit sich mit-fühlen. Denn wenn man sagt, ein 'Mensch bemitleide sich selber', oder er habe z.B. 'Freude daran, daß er sich heute so freuen kann' (Aussagen, in denen man zweifellos sehr bestimmte Phänomene im Auge hat), so zeigt eine genauere Analyse doch immer, daß hier ein Phantasieinhalt vorliegt, in dem der betreffende Mensch 'a/s sei er ein Andere' sich selbst gleichsam zuschaut und 'als dieser (fiktive) Andere' seine eigenen Gefühle mitfühlt. So kann ich mich phantasiemäßig in die Lage versetzen, als ginge ich selber in meinem eigenen Leichenzug usw. Phänomenologisch bleibt aber auch dann das Mitgefühl ein sozialer Akt. Diese Art der Illusion ist bei der Selbstliebe und dem Selbsthass nicht notwendig. Für das Stattfinden von Liebe und Haß ist also die Richtung des Aktes auf einen 'Anderen', sowie irgendeine bewußte Verknüpftheit der Menschen durchaus nicht notwendige Voraussetzung. Nennen wir Akte, die auf Andere als Andere gerichtet sind, 'altruistische Akte', so sind Liebe und Haß durchaus nicht wesenhaft altruistische Akte. Denn Liebe ist primär auf Werte und auf Gegenstände' (durch die Werte, die sie tragen, transparent hindurch) orientiert, wobei es prinzipiell gleichgültig ist, ob 'ich' oder ein 'Anderer' die betreffende Werte hat. Der Fremdliebe steht also die Selbstliebe, dem Fremdhaß der Selbsthaß gleich ursprünglich gegenüber. Andererseits sind Akte, die auf Andere als Andere gerichtet sind, durchaus nicht notwendig 'Liebe'. Auch Neid, Bosheit, Schadenfreude sind auf Andere als Andere gerichtet. Nennt man 'Altruismus' eine Einstellung eines Menschen auf andere Menschen, eine stärkere Neigung, sich von sich und seinem Erleben abzuwenden, so hat diese 'soziale' Einstellung mit einer 'liebevollen' oder 'gütigen' Einstellung an sich nocht gar Nichts zu tun. Ist aber Liebe zu Anderen auf solchem abwendenden Akt fundiert, so ist sie gleichzeitig auf einen ursprünglicheren Haß fundiert, nämlich auf Selbstha (. Abwendung von sich, nicht bei 'sich' bleiben können (ein Typus ist z.B. der 'Vereinsmeier') hat mit Liebe Nichts zu tun» (Seite <173>174).
«Es gibt also ebenso ursprünglich eine 'Selbstliebe' und einen 'Selbsthaß', wie es eine 'Fremdliebe' und einen 'Fremdhaß' gibt. 'Egoismus' ist nicht 'Selbstliebe'. Denn im 'Egoismus' ist mir nicht mein individuelles Selbst als Gegenstand der Liebe gegeben, herausgelöst aus allen sozialen Beziehungen und nur als Träger jener höchsten Wertarten gefaßt, die z.B. im Begriffe des 'Heiles' ihren Ausdruck finden, sondern ich bin mir im Streben gegeben als nur 'Einer unter Anderen', der dann nur die Werte Anderer einfach 'nicht berücksichtigt'. Gerade der Egoismus bedarf also des Hinsehens auf den Anderen und auch in der 'Nichtberücksichtigung' der Forderungen dieser Werte (die bereits ein positver Akt ist und nicht etwa das Fehlen eines solchen). 'Egoismus' ist nicht ein Verhalten 'als wäre man allein auf der Welt'; im Gegenteil, er setzt die Gegebenheit des Einzelnen als Glied der Gesellschaft voraus. Gerade der Egoist ist ganz von seinem 'sozialen Ich' eingenommen, das ihm sein individuelles intimes Selbst verdeckt! Und er hat auch dieses soziale Ich nicht zum Gegenstand eines Liebesaktes, sondern ist nur 'eingenommen' davon, d.h. lebt in ihm. Er ist auch nicht auf seine Werte gerichtet als Werte (sie nur eben an sich zufällig vorfindend), sondern auf alle Werte, auch alle Werte der Dinge und alle Werte Anderer nur, sofern sie seine sind oder werden und sein können, auf ihn Beziehung haben! Das alles ist das genaue Gegenteil der Selbstlicbel»] (Seite <175->176).
«In allem Wesentlichen angeschlossen hat sich den in diesem Kapitel Analysen Karl Jaspers in seiner 'Psychologie der Weltanschauungen' (Berlin 1919) in dem Kapitel 'Die enthusiastische Einstellung ist Liebe', S. 107 bis 119. Zum Problem selbst vgl. auch A. Pfänder: 'über Gesinnungen' (Niemeyer, Halle)»] (Seite 176).
«Doch warum dies? Aus dem einfachen Grunde, weil das sittliche 'Gutsein' einer Person (in seinem ursprünglichen Sinne) — und für die absolute Sphäre sogar allein — sich nach dem Maße der Liebe bestimmt, die sie hat; auch der sittliche Wert einer 'Gemeinschaft' z.B. nach dem Maße der in ihr überhaupt investierten Liebe. Eis darf also gar keine Liebe 'zu' einem 'Guten' geben, das ihr gegenständlich werden könnte — eben da die Liebe — unter den Akten — Träger des Wertes 'sittlich gut' im ausgezeichneten und ursprünglichsten Sinne ist. Wäre so etwas möglich wie eine echte Liebe zum Guten, so könnte ja die Liebe selbst nie Träger des Wertes sittlich gut im ursprünglichsten Sinne sein; sie ist aber der ursprünglichste Träger (unter den Akten) des 'Guten'. Eben an jener Bewegung vom niedrigen zum höheren Wert kommt der Wert 'gut' zur ursprünglichsten Erscheinung. Es ist daher auch ausgeschlossen, sein eigenes Gutsein zu lieben. Denn man kann nicht das eigene Lieben einer anderen Person lieben»] (Seite 188).
«Dies gilt auch Gott gegenüber. Die höchste Form der Gottesliebe ist nicht die Liebe 'zu Gott' als dem Allgütigen, d.h. einer Sache, sondern der Mitvollzug seiner Liebe zur Welt (amare mundum in Deo) und zu Sich selbst (amare Deum in Deo), d.h. das, was die Scholastiker, die Mystiker und vorher schon Augustin 'amare in deo' nannten. Wollen wir Gott die höchste sittliche Qualität in unendlicher Seinsweise zubilligen, so können wir dies nur, indem wir das Lieben (mit Johannes und Augustin) zu seinem innersten Wesen selber machen und sagen: Er sei 'unendliches Lieben'. An diesem Kern des göttlichen Aktzentrums haften erst seine 'Allgüte' und seine absolute sittliche Grundverhältnis zwischen 'Guten': die Gefolgschaft durch Nachfolge und durch Mitlieben» (Seite 189).
«Wie ist uns weiter die Person in der Liebe gegeben? Machen wir uns zunächst das klar: Obgleich als persönlichstes Verhalten dennoch ein durchaus objektives Verhalten ist, insofern und in dem Sinne 'objektiv', als wir in ihr aus aller Befangenheit in unsere eigenen 'Interessen', 'Wünsche', 'Ideen' heraustreten (in übernormaler Weise), so kann uns das, was an einem Menschen Person ist, doch niemals als 'Gegenstand' gegeben sein. Weder in der Liebe noch in anderen echten 'Akten', und seien es auch 'Erkenntnisakte', ist es möglich, Personen zu vergegenständlichen. Person ist die unerkannte und im 'Wissen' nie gebbare individuelle erlebte Einheitssubstanz aller Akte, die ein Wesen vollzieht; also kein 'Gegenstand' geschweige gar ein 'Ding'. Was mir also noch gegenständlich gegeben sein kann, das ist immer nur 1. der fremde Körper, 2. die Leibeinheit, 3. das Ich und die zugehörige (vitale) 'Seele'. Das gilt auch für Jeden sich selbst gegenüber. Die Person kann mir nur gegebensein, indem ich ihre Akte 'mitvollziehe' — erkenntnismäßig im 'Verstehen' und 'Nacherleben' — sittlich aber in der 'Gefolgschaft'. Der sittliche Kern der Person Jesu z.B. ist nur Einem gegeben: Seinem Jünger. Erst die Jüngerschaft öffnet die Pforte für diese Gegebenheit. Sie kann einem Jünger gegeben sein, der Nichts irgendwie 'Historisches' von ihm weiß, Nichts von seinem äußeren Leben, ja nicht einmal von seiner historischen Existenz; denn schon sich als Jünger wissen — was natürlich das Wissen um historische Existenz des Meisters voraussetzt — ist ein Anderes als Jüngersein. Dagegen kann sie dem Theologen als Theologen, was immer er von seinem Lebensgange wisse (auch seine seelichen Erlebnisse eingeschlossen), nie und nimmer gegeben sein: Sie ist seinen Blicken notwendig 'transzendent'. Das vergißt unser gelehrter theologischer Intellektualismus jeden Tag!» (S. 192–193).
«Niemals aber können wir so ihren rein sittlichen Wert erfassen, da dieser ja selbst ursprünglich nur getragen ist vom Akte ihrer Liebe: dieser allerletzte sittliche Personwert ist uns daher nur im Mittvollzug ihres eigenen Liebesaktes gegeben. Wir müssen lieben, was das Vorbild liebt im ' Mitlieben\ um diesen sittlichen Wert zur Gegebenheit zu bekommen. Nur eines gibt es noch, wodurch uns — zwar nicht die Person selbst — aber doch ihr Selbst gegenständlich werden kann — und zwar in anderer Weise als dies unmittelbar durch die Ausdrucksphänomene hindurch der Fall sein kann. — überall da, wo die geliebte Person von uns als weit überlegen empfunden wird, da tritt das Phänomen auf, daß wir uns dadurch ihres Personseins bemächtigen, daß wir die Akte ihrer eigenen Selbstliebe 'mitvollziehen' und hinsehen, was uns in diesen mitvollzogenen Akten gegeben wird. Diese liebende Teilnahme z.B. an der Liebe, mit der Gott sich selbst liebt, ist es, die neuerdings Franz Brentano in seinem Aristotelesbuche schon in der Metaphysik des Aristoteles finden will (?) und welche einige Mystiker und Scholastiker das 'Amare Deum in Deo' genannt haben. Der analoge Tatbestand ist uns aber auch zwischen Menschen wohl bekannt. Wir können einen Menschen unter Umständen mehr lieben als er sich selber liebt. Viele z.B., die sich selbst hassen, werden ja geliebt, und jede mitvollziehende Teilnahme an ihren Akten des Selbsthasses wäre ein 'Sie-hassen'. Aber es gibt Fälle, wo der Selbsthaß eines Menschen durch die Rede eines ihn Liebenden und von ihm in Gegenliebe zugleich Geliebten zerschmilzt: 'Er dürfe den nicht so hassen, den dieser — der Liebende — so sehr liebe.' Wo immer ein Mensch sich nicht selbst haßt, sondern sich selbst liebt, da ist seine Selbstliebe 'mitzuvollziehen' wohl eine der Formen, welche die Fremdliebe annehmen kann» (S. 193–194).
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