Стефан Цвейг - Немецкий с любовью. Новеллы / Novellen
- Название:Немецкий с любовью. Новеллы / Novellen
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- Издательство:Литагент «АСТ»c9a05514-1ce6-11e2-86b3-b737ee03444a
- Год:2014
- Город:Москва
- ISBN:978-5-17-085076-1
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Стефан Цвейг - Немецкий с любовью. Новеллы / Novellen краткое содержание
В книгу вошли три новеллы известного немецкого писателя Стефана Цвейга: «Письмо незнакомки», «Амок» и «Шахматная новелла».
Драматические судьбы героев, любовь на грани жизни и смерти, глубокие душевные депрессии, мастерски описываемые автором, делают его новеллы сегодня особенно актуальными. Произведения подверглись незначительному упрощению, что позволило сохранить как сюжетную линию, так и живой немецкий язык.
Предназначается для изучающих немецкий язык (уровень 4 – для продолжающих верхней ступени).
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Verstehen Sie, was das heißt, Arzt zu sein, alles wissen gegen alle Krankheiten – die Pflicht haben, zu helfen, wie Sie so weise sagen – und doch ohnmächtig bei einer Sterbenden zu sitzen, wissend und doch ohne Macht… nur dies eine, dies Entsetzliche wissend, dass man nicht helfen kann, ob man sich auch jede Ader [247]aus seinem Körper aufreißen möchte… einen geliebten Körper zu sehen, wie er verblutet, gemartert von Schmerzen, einen Puls zu fühlen, der fliegt und zugleich verlischt… Arzt zu sein und nichts zu wissen, nichts, nichts, nichts… nur die Fäuste ballen gegen einen erbärmlichen Gott, von dem man weiß, dass es ihn nicht gibt… Verstehen Sie das?
Verstehen Sie das?… Ich… ich verstehe nur eines nicht, wie… wie man es macht, dass man nicht mitstirbt in solchen Sekunden… dass man dann noch am nächsten Morgen von einem Schlaf aufsteht und sich die Zähne putzt und eine Krawatte umbindet… dass man noch leben kann, wenn man das miterlebte, was ich fühlte, wie dieser Atem, dieser erste Mensch, um den ich rang und kämpfte, den ich halten wollte mit allen Kräften meiner Seele… wie der wegglitt unter mir… irgendwohin, immer rascher wegglitt, Minute um Minute, und ich nichts wusste in meinem fieberndem Gehirn, um diesen, diesen einen Menschen festzuhalten… Und dazu, um teuflisch noch meine Qual zu verdoppeln, dazu noch dies… Während ich an ihrem Bett saß – ich hatte ihr Morphium eingegeben, um die Schmerzen zu lindern, und sah sie liegen, mit heißen Wangen, heiß und fahl – ja… während ich so saß, spürte ich vom Rücken her immer zwei Augen auf mich gerichtet mit einem fürchterlichen Ausdruck der Spannung… Der Boy saß dort auf den Boden gekauert und murmelte leise irgendwelche Gebete… Wenn mein Blick den seinen traf, so… nein, ich kann es nicht schildern… so kam etwas so Flehendes, so… so Dankbares in seinen hündischen Blick, und gleichzeitig hob er die Hände zu mir, als wollte er mich beschwören, sie zu retten… verstehen Sie: zu mir, zu mir hob er die Hände wie zu einem Gott… zu mir… dem ohnmächtigen Schwächling, der wusste, dass alles verloren… dass ich hier so unnötig sei wie eine Ameise [248], die am Boden raschelt… Ah, dieser Blick, wie er mich quälte, diese fanatische, diese tierische Hoffnung auf meine Kunst… ich hätte ihn anschreien können und mit dem Fuß treten, so weh tat er mir… und doch, ich spürte, wie wir beide zusammenhingen durch unsere Liebe zu ihr… durch das Geheimnis… Ein lauerndes Tier, ein dumpfes Knäuel, saß er zusammengeballt knapp hinter mir… kaum dass ich etwas verlangte, sprang er auf mit seinen nackten lautlosen Sohlen [249]und reichte es zitternd… erwartungsvoll her, als sei das die Hilfe… die Rettung…
Ich weiß, er hätte sich die Adern aufgeschnitten, um ihr zu helfen… so war diese Frau, solche Macht hatte sie über Menschen… und ich… ich hatte nicht die Macht, ein Quäntchen [250]Blut zu retten… O diese Nacht, diese entsetzliche Nacht, diese unendliche Nacht zwischen Leben und Tod! Gegen Morgen ward sie noch einmal wach… sie schlug die Augen auf… jetzt waren sie nicht mehr hochmütig und kalt… ein Fieber glitzerte feucht darin, als sie, gleichsam fremd, das Zimmer abtasteten… Dann sah sie mich an: sie schien nachzudenken, sich erinnern zu wollen an mein Gesicht… und plötzlich… ich sah es… erinnerte sie sich… denn irgendein Schreck… etwas Feindliches, Entsetztes spannte ihr Gesicht… sie arbeitete mit den Armen, als wollte sie flüchten… weg, weg, weg von mir… ich sah, sie dachte an das … an die Stunde von damals… Aber dann kam ein Besinnen… sie sah mich ruhiger an, atmete schwer… ich fühlte, sie wollte sprechen, etwas sagen… Wieder begannen die Hände sich zu spannen… sie wollte sich aufheben, aber sie war zu schwach… Ich beruhigte sie, beugte mich nieder… da sah sie mich an mit einem langen, gequälten Blick… ihre Lippen regten sich leise… es war nur ein letzter erlöschender Laut, wie sie sagte…
„Wird es niemand erfahren?… Niemand?“
„Niemand“, sagte ich mit aller Kraft der Überzeugung, „ich verspreche es Ihnen.“ Aber ihr Auge war noch unruhig… Mit fiebriger Lippe ganz undeutlich arbeitete sie’s heraus. „Schwören Sie mir… niemand erfahren… schwören.“
Ich hob die Finger wie zum Eid [251]. Sie sah mich an…mit einem… einem unbeschreiblichen Blick… weich war er, warm, dankbar… ja, wirklich, wirklich dankbar… Sie wollte noch etwas sprechen, aber es ward ihr zu schwer. Lang lag sie, ganz matt von der Anstrengung, mit geschlossenen Augen. Dann begann das Entsetzliche… das Entsetzliche… eine ganz schwere Stunde kämpfte sie noch: erst morgens war es zu Ende…“
Er schwieg lange. Ich merkte es nicht eher, als vom Mitteldeck die Glocke in die Stille schlug, ein, zwei, drei harte Schläge – drei Uhr. Das Mondlicht war matter geworden, aber irgendeine andere gelbe Helle zitterte schon unsicher in der Luft. Eine halbe, eine Stunde mehr, und dann war es Tag, war dies Grauen ausgelöscht im klaren Licht. Ich sah seine Züge jetzt deutlicher, da die Schatten nicht mehr so dicht und schwarz in unsern Winkel [252]fielen – er hatte die Kappe abgenommen, und unter dem blanken Schädel [253]schien sein verquältes Gesicht noch schreckhafter. Aber schon wandten sich die glitzernden Brillengläser wieder mir zu, er straffte [254]sich zusammen, und seine Stimme hatte einen scharfen Ton.
„Mit ihr war es nun zu Ende – aber nicht mit mir. Ich war allein mit der Leiche – aber allein in einem fremden Haus, allein in einer Stadt, die kein Geheimnis duldet, und ich… ich hatte das Geheimnis zu hüten… Ja, denken Sie sich das nur aus, die ganze Situation: eine Frau aus der besten Gesellschaft der Kolonie, vollkommen gesund, die noch abends zuvor auf dem Regierungsball getanzt hat, liegt plötzlich tot in ihrem Bett… ein fremder Arzt ist bei ihr, den angeblich ihr Diener gerufen… niemand im Haus hat gesehen, wann und woher er kam… man hat sie nachts auf einer Sänfte hereingetragen und dann die Türen geschlossen… und morgens ist sie tot… dann erst hat man die Diener gerufen, und plötzlich gellt das Haus von Geschrei… im Nu wissen es die Nachbarn, die ganze Stadt… und nur einer ist da, der das alles erklären soll… ich, der fremde Mensch, der Arzt aus einer entlegenen Station… Eine erfreuliche Situation, nicht wahr?… Ich wusste, was mir bevorstand. Glücklicherweise war der Boy bei mir, der brave Bursche. Ich hatte ihm nur gesagt: „Die Frau will, dass niemand erfährt, was geschehen ist.“ Er sah mir in die Augen mit seinem hündisch feuchten und doch entschlossenen Blick: „Yes, Sir“, mehr sagte er nicht. Aber er wusch die Blutspuren vom Boden, richtete alles in beste Ordnung – und gerade seine Entschlossenheit gab mir die meine wieder.
Nie im Leben, das weiß ich, habe ich eine ähnlich zusammengeballte Energie gehabt, nie werde ich sie wieder haben. Wenn man alles verloren hat, dann kämpft man um das Letzte wie ein Verzweifelter – und das Letzte war ihr Vermächtnis [255], das Geheimnis. Ich empfing voll Ruhe die Leute, erzählte ihnen allen die gleiche erdichtete [256]Geschichte, wie der Boy, den sie um den Arzt gesandt hatte, mich zufällig auf dem Wege traf. Aber während ich scheinbar ruhig redete, wartete… wartete ich immer auf das Entscheidende… auf den Totenbeschauer, der erst kommen musste, ehe wir sie in den Sarg verschließen konnten und das Geheimnis mit ihr… Es war, vergessen Sie nicht, Donnerstag, und Samstag kam ihr Gatte…
Um neun Uhr hörte ich endlich, wie man den Amtsarzt anmeldete. Ich hatte ihn rufen lassen – er war mein Vorgesetzter im Rang und gleichzeitig mein Konkurrent, derselbe Arzt, von dem sie seinerzeit so verächtlich [257]gesprochen und der offenbar meinen Wunsch nach Versetzung bereits erfahren hatte. Bei seinem ersten Blick spürte ich es schon: er war mir Feind. Aber gerade das straffte meine Kraft.
Im Vorzimmer fragte er schon: „Wann ist Frau… – er nannte ihren Namen – gestorben?“
„Um sechs Uhr morgens.“
„Wann sandte sie zu Ihnen?“
„Um elf Uhr abends.“
„Wussten Sie, dass ich ihr Arzt war?“
„Ja, aber es tat Eile not… und dann… die Verstorbene hatte ausdrücklich mich verlangt. Sie hatte verboten, einen andern Arzt rufen zu lassen.“
Er starrte mich an: in seinem bleichen Gesicht flog eine Röte hoch, ich spürte, dass er erbittert war. Aber gerade das brauchte ich – alle meine Energien drängten [258]sich zu rascher Entscheidung, denn ich spürte, lange hielten es meine Nerven nicht mehr aus. Er wollte etwas Feindliches erwidern, dann sagte er lässig: „Wenn Sie schon meinen, mich entbehren zu können [259], so ist es doch meine amtliche Pflicht, den Tod zu konstatieren und… wie er eingetreten ist.“ Ich antwortete nicht und ließ ihn vorangehen. Dann trat ich zurück, schloss die Tür und legte den Schlüssel auf den Tisch. Überrascht zog er die Augenbrauen hoch: „Was bedeutet das?“
Ich stellte mich ruhig ihm gegenüber: „Es handelt sich hier nicht darum, die Todesursache festzustellen, sondern – eine andere zu finden. Diese Frau hat mich gerufen, um sie nach… nach den Folgen eines verunglückten Eingriffes zu behandeln… ich konnte sie nicht mehr retten, aber ich habe ihr versprochen, ihre Ehre zu retten, und das werde ich tun. Und ich bitte Sie darum, mir zu helfen!“
Seine Augen waren ganz weit geworden vor Erstaunen. „Sie wollen doch nicht etwa sagen“, stammelte er dann, „dass ich, der Amtsarzt, hier ein Verbrechen decken soll?“
„Ja, das will ich, das muss ich wollen.“
„Für Ihr Verbrechen soll ich…“
„Ich habe Ihnen gesagt, dass ich diese Frau nicht berührt habe, sonst… sonst stünde ich nicht vor Ihnen, sonst hätte ich längst mit mir Schluss gemacht. Sie hat ihr Vergehen [260] – wenn Sie es so nennen wollen – gebüßt [261], die Welt braucht davon nichts zu wissen. Und ich werde es nicht dulden, dass die Ehre dieser Frau jetzt noch unnötig beschmutzt wird.“ Mein entschlossener Ton reizte ihn nur noch mehr auf. „Sie werden nicht dulden… so… nun, Sie sind ja mein Vorgesetzter… oder glauben es wenigstens schon zu sein… Versuchen Sie nur, mir zu befehlen… ich habe mir gleich gedacht, da ist Schmutziges im Spiel, wenn man Sie aus Ihrem Winkel herruft… eine saubere Praxis, die Sie da anfangen, ein sauberes Probestück… Aber jetzt werde ich untersuchen, ich , und Sie können sich darauf verlassen, dass ein Protokoll, unter dem mein Name steht, richtig sein wird. Ich werde keine Lüge unterschreiben.“
Ich war ganz ruhig.
„Ja – das müssen Sie diesmal doch. Denn früher werden Sie das Zimmer nicht verlassen.“
Ich griff dabei in die Tasche – meinen Revolver hatte ich nicht bei mir. Aber er zuckte zusammen. Ich trat einen Schritt auf ihn zu und sah ihn an. „Hören Sie, ich werde Ihnen etwas sagen… damit es nicht zum Äußersten kommt [262]. Mir liegt an meinem Leben nichts… nichts an dem eines andern – ich bin nun schon einmal soweit… mir liegt einzig daran, mein Versprechen einzulösen, dass die Art dieses Todes geheim bleibt… Hören Sie: ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass, wenn Sie das Zertifikat unterfertigen, diese Frau sei an… nun an einer Zufälligkeit gestorben, dass ich dann noch im Laufe dieser Woche die Stadt und Indien verlasse… dass ich, wenn Sie es verlangen, meinen Revolver nehme und mich niederschieße, sobald der Sarg in der Erde ist und ich sicher sein kann, dass niemand… Sie verstehen: niemand – mehr nachforschen [263]kann. Das wird Ihnen wohl genügen – das muss Ihnen genügen.“
Es muss etwas Gefährliches in meiner Stimme gewesen sein, denn wie ich unwillkürlich nähertrat, wich [264]er zurück mit jenem aufgerissenen Entsetzen, wie… wie eben Menschen vor dem Amokläufer flüchten, wenn er rasend hinrennt mit geschwungenem [265]Kris… Und mit einem Mal war er anders… irgendwie geduckt [266]und gelähmt… seine harte Haltung brach ein. Er murmelte mit einem letzten ganz weichen Widerstand: „Es wäre das erste Mal in meinem Leben, dass ich ein falsches Zertifikat unterzeichnete… immerhin, es wird sich schon eine Form finden lassen… man weiß ja auch, was vorkommt… Aber ich durfte doch nicht so ohne weiteres…“
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