Gustav Freytag - Die Ahnen
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Walburg schlug ihn leise auf das Haupt. »Dein Kopf ist hart und deine Gedanken sind ungerecht.« Und sie küßte ihn wieder auf die Stirn. »Nicht allein der Bischof ist dir wohlgesinnt, auch der neue Frankengraf hat dich gegen den Bruno bedauert, dein Schwert hat er hoch gerühmt und wie ungern er dich missen würde bei der nächsten Schwertreise gegen die Slawen. Denn vernimm, du Held der Thüringe, sie sagen, daß noch diesen Herbst nach der Ernte ein Volksheer gegen die Wenden geboten wird.«
Ingram fuhr auf. »Ha, das ist gute Kunde, Walburg, wenn sie auch mich Unseligen ausgeschlossen haben.«
»Höre noch anderes,« fuhr Walburg fort, »der große Frankenfürst liegt, wie sie sagen, selbst gegen die Sachsen im Felde, und überall rüsten die Helden zu neuem Streit.«
»Du machst mich toll; meinst du, ich werde überleben, von den Schwertgenossen getrennt zu sein, wenn sie sich Ehre erwerben?«
»Ich denke darauf, daß du in ihren Reihen kämpfen sollst, und auch darum bin ich hier.«
Ingram sah erstaunt zu ihr auf, aber ein Hoffnungsstrahl fiel in seine Seele, und er fragte: »Wie kannst du mir dazu helfen?«
»Noch weiß ich es nicht,« antwortete Walburg mutig, »aber ich hoffe Gutes für dich. Ich gehe zu dem Grafen, und wenn er nichts vermag, zum Frankenfürsten selbst in die Fremde, und ich flehe zu unseren Landsleuten. Von Hof zu Hof will ich wandern und bitten, vielleicht, daß sie mir günstig sind, weil sie dein Schwert jetzt gebrauchen.«
»Du treues Mädchen!« rief Ingram hingerissen.
»Und doch willst du mir verwehren, dir zu helfen, du törichter Mann,« mahnte Walburg leise, »denn du weigerst dich, mein Gelübde anzunehmen. Wie kann die Jungfrau vor den Fremden für dich sprechen, wenn sie dir nicht verlobt ist.«
Ingram hob die Hand und rief: »Wenn ich leben soll und wenn ich jemals noch mit leichtem Mut über die lichte Flur wandle, dann will ich versuchen, ob ich deiner Gesinnung zu danken vermag.«
»Jetzt sprichst du, wie ich‘s gern höre,« sagte Walburg froh, »und wie mit meinem künftigen Hauswirt will ich alles mit dir bereden, damit wir ein besseres Glück für uns finden. Du behältst mich bei dir hier im Walde oder wo es sonst sei, solange ich dir tröstlich bin; und wenn es dir gut dünkt, sendest du mich in das Land, damit ich als deine künftige Hausfrau um deine Sachen sorge. Die Leute werden mir‘s glauben, wenn ich es ihnen sage, daß ich als deine Braut komme. Für den Rabenhof wird es gut sein, wenn eine Frau nach Ordnung sieht. Deine Dienerinnen haben sich verlaufen, und sie dürfen nicht wiederkommen, denn ich denke allein Herrin im Hause zu bleiben.« Ingram nickte zustimmend. »Auch das Vieh braucht Pflege, wie ich merke, und ich werde dir eine Magd werben; das bespreche ich mit Bruno, der ein bescheidener Mann ist. Seinen Rat höre ich auch, wie wir dir den Frieden wiederschaffen. Nicht ohne schwere Buße kannst du ihn gewinnen, wenn es dir glückt; die Buße wirst du leisten, wenn sie dich auch einen Teil deines Landes kostet, entweder an deinem Hofe oder an dem Erbacker deiner lieben Mutter im Tale.« Ingram seufzte. »Es war ein schwerer Spruch, den sie gegen dich ausriefen, daß du Friede haben sollst, wo dich niemand sieht und hört. Aber das harte Wort vermögen sie mild zu deuten. Auch die Christen werden nicht nach dir spähen und nicht horchen, bis du wieder sichtbar und ruchbar wirst im Volke, wenn du gleich in dem Rabenhofe weilst oder im öden Hofe meines lieben Vaters, in den ich gern zurückkehrte. Dies sind meine Gedanken, und jetzt sage mir die deinen.«
»Mein Gedanke ist,« rief Ingram, »daß ich ein gutes Weib haben werde, wenn das Schicksal mir verstattet, im Lichte zu leben, und eine Hausfrau, die verständiger für das Rechte sorgt als ihr Wirt.«
»So rühme ich dich, Ingram«, fuhr Walburg siegreich fort. »Wie wir aus der Not kommen, weiß der liebe Gott allein, aber ihm vertraue ich und ihm danke ich, daß ich dich im Walde gefunden und dein Herz erkannt habe, wie du gesinnt bist.« Sie neigte das Haupt und sprach das Vaterunser, Ingram saß still an ihrer Seite und hörte auf die Bitten, die sie raunte. Als sie darauf neben ihm saß mit gefalteten Händen und lächelndem Munde, rührte er leise an ihren Arm und bat: »Komm, Walburg, daß ich dich aus dem Schatten in die Sonne führe.« Das Mädchen wandte sich zu ihm: »Steht mir die Narbe häßlich?«
»Ich merke sie nicht mehr«, versetzte Ingram ehrlich.
Walburg seufzte. »Vielleicht wirst du sie gewohnt. Du aber, mein Held, harre noch ein wenig. Wie du jetzt bist, darf dich die Sonne nicht sehen, denn sie scheint ungern durch Löcher im Gewande auf die bloße Haut, und auch das wilde Haar steht einem Bräutigam schlecht. Zieh erst die Jacke aus, daß ich dir sie nähe, und suche unterdes den Quell, damit du dir daran das Haupt schmückest, wie sich‘s gebührt.« Sie öffnete ihren Korb und holte emsig Faden und Nadel hervor. »Allerlei habe ich mitgebracht, was kein Mensch unter den Bäumen findet und was doch jeder braucht, wenn er anderen gefallen will. Hier ist dein Bräutigamshemd, ob du es meinetwegen tragen willst, ich habe es unter Schmerzen genäht, als ich krank saß. Denn du lebst jetzt nicht mehr für dich allein, auch für mich hast du zu sorgen, und vor allem hast du darauf zu denken, daß du mir immer gefällst.« Sie trieb ihn fort und besserte eifrig die Risse in dem braunen Wollkleide.
Als er wieder aus der Tiefe auf sie zusprang, riß sie den letzten Faden ab und half ihm die Jacke anziehen und vom Moose säubern: »So gefällst du mir, denn ganz verwandelt stehst du unter den Bäumen. Und jetzt, Ingram, bin ich bereit, dir zu folgen, wohin es auch sei.« Sie packte ihr kleines Gerät zusammen, und als er den Korb heben wollte, wehrte sie es. »Das geziemt dem Krieger nicht, nur mich selbst darfst du tragen, wenn mich die Kraft verläßt. Gib mir deine Hand, damit ich mich darauf stütze.«
So schritten sie schweigend nebeneinander über den Moosgrund bis zu einem Felshaupt, das sich zwischen den Bäumen erhob. Der Stamm, welcher einst darauf gestanden hatte, war gefallen, und auf der Stätte blühten im Sonnenlicht wallende Gräser, Heidenröschen und blaue Glockenblumen. Da drückte sie seinen Arm und mühte sich, ihre Bewegung unter einem Lächeln zu verbergen: »Halt an, Ingram, und vernimm noch das letzte. Deine Braut will ich werden zu dieser Stunde, aber dein Ehegemahl wird die Tochter deines Gastfreundes erst im Ringe der Verwandten, wenn mein Oheim die Frage der Vermählung tut. Denn der Sitte gedenken wir, auch wenn wir allein sind. Bis dahin liegt zwischen uns ein blankes Messer, das du mir einst geschenkt.« Sie zuckte in ihr Gewand und hob die Klinge heraus, die sie in der Halle des Ratiz gegen sich gebraucht hatte. »Denke an das Messer, Ingram, wenn du meine Wange nicht siehst.«
»Leidig ist das Messer«, rief Ingram unwillig.
»Ein guter Warner ist es«, rief Walburg und faßte bittend seine Hand. »Mahnen soll es dich, damit du dein lebelang deine Hausfrau ehren kannst.«
Ingram seufzte, aber gleich darauf sprach er mit gehobenem Haupt: »Du denkst, wie meinem Weibe gebührt.«
Beide traten in das Licht und sprachen vor der Himmelssonne ihre Namen und die Worte, durch welche sich jedes dem anderen verlobte für das Leben und den Tod. Als Ingram das Weib nach der Sitte durch ein Zeichen binden wollte und zurück sah, um ein Reis zu brechen, das er ihr um den Arm winde, da sagte sie leise: »In deiner Tasche barg ich das feste Band, welches mich an dich bindet.« Er faßte den harten Gurtriemen des Messers, das er ihr in der Todesnot gereicht hatte. Und als er sie nach dem Verlöbnis umschlang, da fühlte sie, wie sein starker Leib in der Aufregung bebte, und sie sah, daß die Sonne ein bleiches und trauriges Antlitz beschien. Lange hielt sie ihn fest und ihre Lippen bewegten sich. Aber gleich darauf begann sie heiter: »Jetzt lagere, Held, damit ich dir das Brautmahl bereite, denn das ist eine Ehre der Braut und sie läßt sich‘s nicht nehmen. Fehlt‘s heut an anderen Gästen, so laden wir die kleinen Waldvögel, wenn diese hier auf der Höhe bereit sind uns Freundliches zu singen.« Sie zwang ihm die Kost ein, welche sie mitgebracht hatte, und legte ihm die guten Bissen vor, wie einem Kranken. Dabei erzählte sie ihm gleichmütig ihre Sorbenfahrt, und von dem Fleiß auf dem Meierhofe, auch von dem Kranz der wilden Gertrud, bis er sie wieder mutig anlachte.
Die Sonne stieg aus der Mittaghöhe hinab und Ingram sah nach dem Himmel. »Ich erkenne, mein Herr denkt an den Aufbruch«, sagte Walburg. »Führe deine Waldbraut, wohin es dir gefällt. Sicher hast du als rühmlicher Jäger eine Baumhütte, die ich dir stattlich machen will.«
»Das Lager des Wildtiers, nach dem du fragst, ist unter den Steinen,« antwortete Ingram ernsthaft, »zufällig habe ich es aufgefunden, und außer mir kennt es wohl nur einer, der lebt. Es ist weit von hier, und ungern führe ich dich hinein; doch ist es gut, wenn du die Zuflucht kennst.«
»Komm,« rief Walburg, »mich ängstigt, daß deine Augen so unruhig umherfahren, wenn ich zu dir rede.«
Wieder gingen sie unter dem Schattendach auf ungebahntem Wege dahin, aus dem Laubwald in Nadelholz, über Berg und Tal, durch Erdspalten und rinnende Bäche. Einmal hielt Ingram still, warf sich zu Boden und riß Walburg nach. »In der Nähe läuft ein Saumpfad über die Berge«, raunte er. Gleich darauf hörte Walburg Männerstimmen und sah in einiger Entfernung zwei Bewaffnete vorüberreiten. Als Stimmen und Hufschlag verhallten und Ingram sich erhob, war er bleich wie ein Sterbender und kalter Schweiß lag auf seiner Stirn. »Es waren Reisige des Grafen«, sagte er heiser. Sie strich ihm mit ihrem Tuch über die Stirn. »Halte nur aus, auch der Tag wird kommen, wo diese sich grüßend vor mir neigen«, aber sie fühlte tief im Herzen die bittere Scham des Friedlosen. Stumm gingen sie weiter. Oft hielt Ingram an, lauschte und sah ängstlich um sich, endlich drangen sie abwärts durch dichtes Laubholz, zwischen dem nur einzelne Hochstämme ragten. Als Walburg mühsam an den Fuß eines steilen Abhangs niedergetaucht war, wo das Gebüsch dicht umschloß, hielt Ingram an: »Hier ist die Stelle; fürchte dich nicht, Walburg, und vertraue mir.« Sie nickte ihm zu, er bog die Zweige auseinander und wälzte eine Steinplatte zur Seite, vor ihm gähnte eine schwarze Öffnung. »Enge ist der Pfad, der in die Tiefen der Erde führt, hier ist fortan deine Wohnung, Wolfsbraut.« Walburg trat schaudernd zurück und machte das Kreuzeszeichen. »Bist du es erst gewöhnt, dann lachst du wie ich«, tröstete Ingram, aber er selbst lachte nicht. »Ich gehe voran und halte dich an der Hand, bücke dein Haupt, daß der Fels dich nicht verletze.« Er drang hinein und zog sie nach. In schwarze Nacht ging es eine Strecke abwärts, sie tastete mit Fuß und Hand.
»Fürchterlich ist der Weg in die Totenhölle«, seufzte sie; er aber zog sie weiter. »Jetzt steh fest, damit ich dir leuchte.« Er ließ ihre Hand los; sie stand auf unebenem Boden, an ihren Seiten war der Fels gewichen und mit Entsetzen griff sie um sich in leere Finsternis. Da erglomm ein Funke, das Licht ging auf und erfaßte einen Haufen Reisig; bei der roten Flamme sah sie rings um sich eine gewölbte Höhle, die scharfen Zacken des Gesteins blitzten wie Silber und rotes Gold. Vor ihr neigte sich der Boden schräg hinab bis zu einer schwarzen Wasserfläche, welche den hinteren Grund der Höhle bedeckte. Der Rauch wirbelte aufwärts um den strahlenden Fels, bis er in graulicher Dämmerung schwand, wo durch einen Spalt in der Höhe ein bleicher Schimmer Tageslicht hineinfiel. Zwischen dem blinkenden Stein, dem schwarzen Wasser und der lodernden Flamme sank Walburg auf die Knie und schloß mit gefalteten Händen die Augen. »Fürchte dich nicht, Walburg,« tröstete Ingram, »ist der Stein auch kalt und das Wasser auch tief, dennoch ist der Felsbau ein guter Schutz.«
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