Генрих Фосслер - На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера
- Название:На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера
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- Издательство:Новое литературное обозрение
- Год:2017
- Город:Москва
- ISBN:978-5-4448-0568-8
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Генрих Фосслер - На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера краткое содержание
На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера - читать онлайн бесплатно полную версию (весь текст целиком)
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Die Stadt Czernigow , der Sitz eines Gouvernements und eines Erzbischoffs, liegt in einer Ebene, eine Viertelstunde vom Flusse Dyssna entfernt. Die Umgebung ist einförmig, und bietet keine Sehenswürdigkeiten dar. Die
Stadt ist weitläuf {737} 737 Schreibfehler Vosslers. Das Wort muss lauten: „weitläufig“.
gebaut, und von ziemlichem Umfange. In der Mitte derselben erhebt sich das Castell, das ein Viereck mit Thürmen an den Ecken, und mit hohen Mauern ohne Schießscharten umgeben ist. Es dient einzig als Gefängniß. Am Ende der Stadt liegt ein groses Kloster, in dem der Erzbischoff seinen Sitz hat, und das blos durch einen durchbrochenen Thurm sich auszeichnet. // S. 156//
Die Gouvernementskanzley und die Spitalgebäude sind von Stein, alle übrigen Häuser von Holz. Selbst der Gouverneur bewohnt ein hölzernes Gebäude. In der Nähe des Castells befindet sich der grose Marktplatz, in dessen Mitte zwey lange Gebäude mit Arkaden stehen, unter denen die Handwerker, Krämer und Kaufleute ihre Buden haben, die täglich geöffnet werden, wo Waaren des Luxus und der Nothdurft in Menge feil geboten, und von den Verkäufern angepriesen werden. Auf diesen Marktplatz werden zu Zeiten ganze hölzerne Häuser für Landleute zum Verkauf gebracht. Vor dem grösern Budenhause haben die Juden ihre Tische aufgestellt, die alle Arten von Papiergeld und Geldstücken immer gegen Agio {738} 738 Aufgeld, Aufschlag.
, verwechseln. Die Juden sowohl, als die Christen bedienen sich zum Rechnen sogenannter Faullenzer {739} 739 Übersichten in Tabellenform zur Umrechnung verschiedener Größen (z. B. Preise, Mengen, Gewichte).
, die sie mit vieler Fertigkeit handhaben, und vermittelst deren sie verwickelte Rechnungen schnell und richtig lösen. Man sagte mir, daß es nur die gebildeteren Kaufleute seyen, die sich auf das Rechnen mit Zahlen verstehen. Alle Verkäufer ohne Ausnahme überbieten ihre Waaren sehr, indessen weiß der Eingeborne gehörig zu markten {740} 740 Handeln.
, und der Fremde lernt es bald. Die gröseren Zahlungen werden in Papier gemacht, und zur Ausgleichung dient Kupfermünze, deren gröste, ein Pietack, nach unserem Gelde etwa 1 1/2. Kreuzer // S. 157// ausmacht, und dem brabanter Thaler in der Größe gleicht. Silbergeld ist nicht häufig, und das Gold ist selten.
Die hölzernen Häuser stehen meistens nicht an der Straße unmittelbar, sondern in der Mitte groser, mit Bretterwänden umgebener Höfe. Sie sind alle nur einstockigt {741} 741 Einstockig.
, und darum der hohen Bretterwände wegen von der Straße oft gar nicht zu sehen. Auch hier, wie in Pohlen, haben die Häuser kein heimliches Gemach {742} 742 Toilette.
, sondern es ist als solches der ganze Hofraum zu betrachten, der übrigens demungeachtet dadurch nicht unreinlicher wird, weil die dort herumlaufenden Schweine die Excremente aufzehren, und nach dieser Kost so lüstern sind, daß es nur vermitttelst eines tüchtigen
Stocks möglich ist, seine Nothdurft in Ruhe zu verrichten. In der Nähe des Marktplatzes befinden sich mehrere Wirthshäuser, in denen Branntwein, Thee und Quass geschenkt wird, und verschiedene Fleischarten auf einem Tische, der unseren Badentischen gleicht, aufgehäuft und schon zubereitet hegen, so daß sie zum Verspeisen nur wieder gewärmt zu werden brauchen. Auch sind immer verschiedene Fischarten vorhanden, die in groser Menge auf dem Markte feil stehen, und von den Russen an ihren vielen Festtagen mit Oel und irgend einer Mehlspeise genossen werden. Diese Wirthshäuser sind mit denen in Deutschland in Absicht auf Reinlichkeit keineswegs zu vergleichen, es ist keines, in // S. 158// dem nicht der Besuchende Ungeziefer zu bekommen fürchten muß. Die Fremden, die in solchen Gasthäusern übernachten wollen, werden in den Zimmern herum auf Stroh gelegt. Eines dieser Häuser besuchten wir täglich, und wir schöpften ihm wegen des schmutzigen Aussehens des Wirthes und seiner zwey bärtigen Kellner, die übrigens alle 3. äusserst gefällig waren, den Namen zu den drey Schmutzmicheln. Ein Weinhaus, das einzige, besuchten wir nur Einmal, es ist reinlicher als die Traiteurshäuser {743} 743 Wirtshäuser, Gasthäuser.
, und gefälliger eingerichtet. Der Wein, der da gewöhnlich getrunken wird, kommt aus der Moldau.
Die Stadt hat mehrere Kirchen, darunter aber nur drey steinerne, die übrigen sind ganz aus Holz. Am Christfeste wohnten wir dem Gottesdienste in der Cathedralkirche bey, der Cultus ist äusserst pompös, die Vocalmusik vortreflich, und wir waren ganz entzückt von der herrlichen Stimme, die das Hospoden po milu {744} 744 „Gospodi, pomiluj“ (russ. - kirchenslaw.): „Herr, erbarme Dich“. Eventuell hörte Vossler eine ukrainisch eingefärbte Variante des Kyrie: „Hospody, pomyluy“ (ukr.).
sang.
Die Straßen der Stadt sind weder gepflastert, noch chaussirt {745} 745 Mit einer festen Fahrbahndecke versehen.
, sie sind sehr uneben, und bey Regenwetter so kothig, daß ich gut bespannte Wägen stecken bleiben sah. Die Einwohner werfen alle Unreinigkeiten auf die Straße, und selbst in den gangbarsten trifft man auf todte Katzen, Hunde, selbst Pferde und Rindvieh. Besonders unangenehm und lästig ist die zahllose Menge herrenloser Hunde, die in Heerden // S. 159// durch die Straßen ziehen, und die Vorübergehenden nicht nur anbellen, sondern selbst210 angreifen. Es geschah uns öfters, daß wir von solchen Heerden angefallen wurden, und uns nur mit Mühe ihrer erwehren konnten. Wenn ihre Zahl nicht zu groß ist, so genügt es übrigens an ein paar tüchtigen Hieben auf den vordersten und kühnsten, um den ganzen Trupp mit Geheul davon laufen zu machen. Zur Nachtzeit giengen wir nie einzeln über die Straße, sondern immer mehrere zusammen, weil der Einzelne in Gefahr stand, ermordet zu werden, was mehreren Franzosen während unseres Aufenthaltes in Czernigow begegnete. Zwar besteht in der Stadt eine Polizeywache, die Nachts Runde macht, allein ihre Sorgfalt erstreckte sich nicht bis auf uns arme Gefangene, vielmehr hatte sie selbst vielleicht bey der Ermordung der Franzosen ihre Hände im Spiel, jedenfalls aber pfändete sie gewöhnlich die einzelnen Gefangenen, die ihnen Nachts in den Straßen in die Hände fielen.
In Czernigow lagen damals nur 2. Compagnien Invaliden als Besatzung. Die Soldaten sind bey den Einwohnern einquartirt, die Officiere miethen sich ihre Wohnungen. Letztere zeichnen sich durch Bildung keineswegs aus. Die Mannszucht schien nicht sehr strenge zu seyn. —
Die Einwohner gehören nicht zu den AltRussen. // S. 160// Sie sind ein Gemisch von Russen und Pohlen, und haben, wie es überall an der Grenze von gröseren Völkern der Fall ist, die Tugenden der beiden Nationen meistens abgelegt, dagegen nicht nur ihre Nationalfehler beybehalten, sondern auch noch die des andern Volkes angenommen. Der Czernigower ist listig und pfiffig, habsüchtig und betrügerisch. Das zweite Geschlecht, das — wie allerorten in Pohlen und Rußland,211 nicht zum schönen gerechnet werden darf, soferne es den unteren und mittleren Volks-Classen angehört, ist unreinlich, häßlich, in hohem Maase streit- und zanksüchtig. Beyde Geschlechter zeigten sich hart und unbarmherzig gegen die armen Gefangenen, das weibliche aber noch mehr, als das männliche. Manche Einwohner treiben Handwerke, jedoch ohne viele Fertigkeit, viele andere nähren sich vom Handel mit allen Arten von Gegenständen, und bey mehr Bildung dürfte ihre Thätigkeit und Unverdrossenheit sie bald zu grösserem Wohlstände führen. Die Beamten und der Adel sind wenig zahlreich. So weit unsere Lage uns Beobachtungen erlaubte, so bemerkten wir nichts, das uns eine grose Meynung von ihrer Bildung hätte geben können. Beide Classen liessen sich nie zum Umgang mit uns herab. Die Juden, deren es viele giebt, leben von Handel und Gewerben, und zeichnen sich, wie in Pohlen auch hier durch ihre Betriebsamkeit und Habgier aus. Die ansässigen Fremden sind meistens Deutsche, Handwerker und Professionisten {746} 746 Selbstständige.
, Apotheker und Aerzte, und alle gewinnen einen reichlichen Lebensunterhalt, den sie durch Fleiß, // S. 161// Sparsamkeit und Rechtlichkeit meistens wohl verdienen. Ihr oft zurückstossendes, immer aber kaltes Benehmen gegen uns, ihre Landsleute, findet eine hinlängliche Entschuldigung in der Eifersucht, mit der ihr Umgang mit uns von den russischen Behörden bewacht wurde. Die Kleidung der höheren Classen ist ganz nach französischem Schnitte, während die der niederen durchaus ähnlich ist dem der Landesbewohner. Die Lebensart der Einwohner ist einfach. Nirgends gewahrte ich öffentliche Lustbarkeiten, wie Tänze, und dergl[eichen]. In einzelnen adelichen Häusern fanden hin und da Bälle und Soupes {747} 747 Abendessen.
statt. Die Kost der mittleren Classen besteht aus Fleisch und Mehlspeisen, an Fasttagen aus gesalzenen Fischen und Eyern mit Oel gebraten. Der gemeine Mann lebt von Mehlspeisen, Sauerkraut und gesalzenen Fischen, und in den Fastenzeiten genießt er gewöhnlich nur Fische.
Die Lebensmittel sind wohlfeil, das Brod ist um 2/3.tel wohlfeiler, als in gewöhnlichen Zeiten in Deutschland. Der Preis des Fleisches von Rindvieh und Schaafen steht in gleichem Verhältniß, ebenso das Gemüse, wie Kartoffeln, Rüben, Zwiebeln u.s.w. Der Markt ist immer reichlich versehen mit jeder Art von Lebensmitteln. Das allgemeine Getränke ist der Quass und der Thee. Zu allen Stunden des Tages ziehen bärtige Russen durch die Straßen der Stadt, und rufen ihren Quass und Czay (Thee)214 zum Verkauf aus. Letzteren führen sie in // S. 162// grosen Gefässen auf dem Rücken, an deren Untertheil ein Behälter mit Kohlen angebracht ist, so daß das Getränke immer siedend heiß erhalten wird. Statt des Zuckers bedient man sich des Honigs. — Der Winter war während unseres Aufenthalts in Czernigow nicht strenge, er begann erst in der Mitte des Novembers, und wenn gleich die Kälte nie weniger als 3—4.° hatte, so stieg sie doch auch nicht höher als auf 10—12° —
Schon am 14. November traf die Kunde des Abfalls Württembergs von Frankreich, und seiner Vereinigung mit den verbündeten Mächten in Czernigow ein. Die erste Nachricht davon wurde uns durch einen in der Stadt ansässigen Arzt, der uns wohl wollte, mitgetheilt. In dem ersten Jubel eilten wir zu dem Gouverneur, und machten Anspruch auf eine Behandlung, wie sie den nunmehrigen Allirten Rußlands zukäme. Allein dieser entschuldigte sich mit dem Mangel an Verhaltungs-Befehlen von der Regierung, und das Einzige, was wir mit Noth von ihm erhielten, war das Versprechen, uns vorerst noch nicht mit dem nächsten Gefangenentransport nach Tambow zu senden. Indessen waren wir vorläufig mit diesem Erfolge zufrieden, und Freude und neues Leben kehrte zu uns zurück. Nun liessen wir keinen Tag verstreichen, an dem wir nicht nach der Ankunft der so sehnlich erwarteten Befehle zu unserer Heimkehr eifrig geforscht hätten, aber noch // S. 163// länger als 14. Tage blieb unsere Ungeduld auf die Folter gespannt. Endlich zu Ende Novembers berief uns der Gouverneuer vor sich, und eröffnete uns, daß er jene Befehle erhalten habe, daß sich aber unsere Abreise von Czernigow noch eine Zeitlang verzögern werde, weil er sämmtliche Württemberger und Bayern, die sich in seinem Gouvernement finden, zuvor sammeln müsse, von einer Erhöhung unseres armseligen Gehalts, oder gar von einem Vorschüsse war aber keine Rede. Wie unangenehm uns diese Zögerung war, läßt sich leicht denken, indessen waren wir doch dem Ziele unserer Wünsche um einen grosen Schritt näher gerückt. Wir ermangelten nun nicht, unsere Abreise möglichst zu betreiben, allein sie lag den russischen Behörden weit weniger am Herzen, als uns, und wir mußten uns noch oft und lange zur Geduld verweisen lassen. Ein angenehmer Zwischenfall in dieser Zeit der Ungeduld war die Bewilligung von 100. Rubeln Papier, die jedem Gefangenen Officier zu Anschaffung von Winterkleidern zu Theil, und wodurch manche bange Sorge, manche drückende Noth gehoben wurde. Zu Anfang des Jahres 1814. langte ein wiederholter Befehl zu unserer baldigen Rücksendung an, und nun erst wurden ernstliche Anstalten zu unserer Abreise getroffen. Am 13. Januar wurde ein Officier von der Landwehr zu unserer Begleitung bezeichnet, und unser Abmarsch auf den 19.ten festgesetzt. Wir wären gerne dieser Begleitung enthoben gewesen, // S. 164// umso mehr, als wir, wie wir aus sicherer Hand vernahmen, dem Officier schlecht empfohlen worden waren, und er den Auftrag hatte, uns unter strenger Aufsicht zu halten, allein unsere diesfälligen Schritte blieben ohne Erfolg, und so ergaben wir uns darein, nochmals als Gefangene transportirt und behandelt zu werden, wenn wir gleich auf bessere Behandlung Anspruch machen konnten. Ueberhaupt konnten oder wollten die russischen Behörden nicht begreifen, warum wir unsere Abreise so eifrig betrieben, da unsere Lage in Czernigow doch ganz behaglich sey. Den Tag vor der Abreise, am 18.ten Jan[ua]r (6. Jan[ua]r alten Styls) ward uns noch ein seltenes Schauspiel zu Theil, das Fest der Wasserweihe. Der Erzbischoff im festlichen Ornate, umgeben von der ganzen Clerisey215 und einem ausgezeichneten Sängerchor, begleitet von sämmtlichen Militär- und Civil-Behörden, weihte, in Gegenwart einer unzähligen Menge Volks aus allen Ständen, den kleinen an der Stadt vorbeifliessenden Bach, dessen Eisdecke aufgehauen war, unter vielen Gebeten und Ceremonien, und dem Donner der Böller, feierlich ein. Nach beendigter Ceremonie nahmen die Anwesenden von griechischem Ritus von dem geweihten Wasser mit sich, und der übrige Tag wurde in Gebet und Andacht hingebracht. — // S. 165//
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