Генрих Фосслер - На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера
- Название:На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера
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- Издательство:Новое литературное обозрение
- Год:2017
- Город:Москва
- ISBN:978-5-4448-0568-8
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Генрих Фосслер - На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера краткое содержание
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In Pohlen machen allein die Edelleute die Nation aus. Ein Hauptzug im Charakter des Adels ist der Stolz, eine Folge der früheren Verfassung, nach der jeder Edelmann bey der Königswahl nicht nur eine Stimme hatte, sondern selbst wahlfähig war. {610} 610 Anspielung auf die Verfassung der Königlichen Republik Polen-Litauen zwischen 1572 (Aussterben der Jagiellonen) und 1791 (Umwandlung in eine konstitutionelle Monarchie).
Im allgemeinen ist der Edelmann tyrannisch gegen seine Unterthanen; aber sclavisch gegen Höhere; er ist mißtrauisch, boshaft und treulos gegen seine Landsleute, selbst ein gleiches Interesse vereinigt ihn nicht immer mit dem andern, und seine Sache geht der Sache des Vaterlandes vor, oder er macht jene zu dieser. Immer war Pohlen in Partheyen getheilt, und kräftige Männer bekannten sich zu der einen oder
zu der andern, // S. 22// aber keiner vermochte seinem Vaterlande eine Ruhe zu geben, die einem Wahlreiche unnatürlich ist. Ueppigkeit und Prachtliebe hat manche Familien arm gemacht, andere zum Verrath am Vaterlande verleitet, und am Ende die Nation um ihre Existenz gebracht. {611} 611 Anspielung auf die polnischen Teilungen in dem Jahren 1772, 1793 und 1795.
Koscinsko {612} 612 Andrzej Tadeusz Bonawentura Kosciuszko (1746—1817), Anführer des polnischen Aufstandes gegen die Teilungsmächte Preußen und Russland 1794.
und andere brave Männer konnten dem allgemeinen Verderben nicht Einhalt thun, und vergebens suchten sie das Land zu retten. Es wurde zerrissen, aber die Art, wie dieses geschah, war nicht geeignet, die Herzen der Nation, oder vielmehr des Adels dem neuen Vaterlande zu befreunden. Zwar that Preussen in seinem Antheil das Möglichste zu Emporbringung des Landes, und die Spuren seiner Regierung erblickt man noch mit Wohlgefallen, aber der Adel sah in ihm nur seinen Unterdrücker, und mißkannte das Gute. Er wurde wieder wohlhabender, aber ohne daß es ihn freute, denn er mochte seinem Feinde nichts danken. Freudig ergriff er die Waffen, als Napoleon Pohlen ins Leben zurückzurufen versprach; er scheute keine Aufopferung, willig gab er Geld und Gut und Blut hin, und vergöttert wurde der Freiheitsbringer Napoleon. Er aber stellte nicht das Reich Pohlen wieder her, sondern schuf das Herzogthum Warschau, und führte durch hohe Abgaben, und übergroße militärische Macht Erschöpfung herbey. Dieses betrachtete jedoch der Pohle nur als ein Interim und ertrug es geduldig. Ein neuer Krieg mit Rußland, hoffte er, werde Pohlen sich selbst wieder zurückgeben. Dahin gieng sein Wunsch und sein Streben, und daher rührte seine Vorliebe für Napoleon. Im Herzogthum // S. 23// Warschau, unter Sachsens Hoheit, {613} 613 Als Herzog von Warschau amtierte der sächsiche König Friedrich August I.
galt der pohlnische Adel wenig; im Königreich Pohlen hoffte er die verlorenen Vorrechte, den entschwundenen Wohlstand, das grose Ansehen wieder zu erringen. Stolz war der Adel auf seine früheren Vorrechte, und ebenso stolz auf den, welcher ihm die Herstellung des Reichs verhieß. In Südpreussen war der Adel wohlhabend geworden, im Herzogthum Warschau wurde er arm, aber die Erinnerung an den früheren Wohlstand lebte noch in ihm, er hatte sich theils aus natürlichem Hange zum Luxus, den die Erziehung noch genährt hatte, theils, weil er es nicht nöthig hatte, an keine weise Sparsamkeit gewöhnt. Verarmung und Mangel waren die unausbleiblichen Folgen. Einige Beispiele mögen diese lezteren Angaben unterstüzen. In Cornowa, 2. Tagmärsche jenseits Gnesen {614} 614 Von Gnesen entfernt.
, traf ich einen Edelmann, der die Fenster seines Wohnzimmers reichlich mit Papier verklebt hatte, der kaum Holz genug zur Wärmung des gemeinschaftlichen Wohnzimmers beischaffen konnte, aus dessen Zügen der Hunger hervorleuchtete, dessen Töchter aber nichts desto weniger in Seide gekleidet, und von einer in Mousselin {615} 615 Musselin/Mousselin: lockerer, feinfädiger und glatter Stoff.
gekleideten Kammerjungfer bedient waren. Ein gleiches traf ein anderer Officier meines Regiments, nur daß dort der Luxus noch mehr gesteigert, und der häusliche Wohlstand noch tiefer gesunken war, denn die ganze adeliche Familie bediente sich, nach patriarchalischer Weise, Eines Trinckglases, und Einer Gabel, aber keines Tischtuches, und den einquartierten Officieren wurde aus Mangel an Betten und Raum im Hause die Lagerstatt // S. 24// neben den Töchtern des Hauses auf blossem Stroh angewiesen. Ein Bürgerstand existirt in Pohlen nicht. Also nur noch Einiges von den Bauern, denn ich kann nicht wohl sagen: Bauernstand. Als Sclaven der Edelleute wachsen sie auf, wie das liebe Vieh, sie lernen weder lesen noch schreiben, und das Ganze, wozu sie von ihren Erzeugern angewiesen werden, besteht in den wenigen und einfachen Handgriffen und Arbeiten des Ackerbaues. Sie haben kein Eigenthum, ihr Besitzthum gehört dem Edelmann, er läßt den grösten Theil seiner Orts-Markung durch den Bauern bauen, und überläßt ihm nur so viel Grund und Boden, als er zu Ernährung seiner Familie bedarf. Den Ueberfluß einer ungewöhnlich reichen Erndte muß der Bauer dem Edelmann abtreten, so wie er denn auch im entgegengesetzten Fall seine Erhaltung von der Güte des Edelmanns zu erwarten hat. Als Sclave gebohren, als Sclave erzogen, kennt der Bauer keine anderen, als thierische Gefühle und Bedürfnisse, er unterwirft sich mit Geduld den barbarischsten Launen seines Herrn, und küßt mit Ehrfurcht den Fuß, der ihn so eben niedergetreten hat. Die größerntheils unmenschliche Behandlung macht ihn fühllos und stumpf, und kaum wagt er in Gegenwart seines Herrn zu athmen. Hat ihm die Milde desselben einige Groschen übrig gelassen, so berauscht er sich in Brantwein, und wird aus einem Halbmenschen ein Vieh. Der Hang zum Stehlen, den man beym gemeinen Pohlen allgemein antrifft, // S. 25// und wovor sich jeder Reisende hüten möge, hat seinen Grund nicht in der Habsucht, sondern in der unwiderstehlichen Neigung zum Branntweintrinken. Von der Sclaverey rührt auch die gränzenlose Unreinlichkeit her, die man beinahe in allen Baurenhäusern ohne Ausnahme findet, und die sich über die ganze Lebensart und die Sitten der Einwohner verbreitet hat. Man stelle sich eine Stube vor, deren Umfassungswände aus kaum gekanteten — über einander gelegten Baumstämmen bestehen, deren Ritzen mit Moos verstopft sind, die ungehobelte Thüre mit einem hölzernen Ringel verschlossen, drey 1.' [Fuß/ Schuh] {616} 616 1. Fuß/ Schuh (Königreich Württemberg) = 10 Zoll = 0,28649 Meter (vgl. von Hippel 2000, S. 197—198).
hohe und 1 1/2/ breite Fensteröffnungen, deren eine Glasscheiben, die 2. anderen aber nur hölzerne Vorschieber haben, der Boden mit Erde ausgeschlagen, an 2. Wänden schmale Bänke, 1. kleiner ungehobelter Tisch, 1. runder Backofen samt hölzernem Rauchfang zur Seite des Backofens, 2. sogenannte Pritschen über einander zum Lager der Menschen bestimmt, und in dem übrigen Raum der Stube 1/2. Dutzend Gänse, Enten, Hühner, einige junge Schweine, eine Ziege oder gar ein Bock, ein Kalb und 1. Kuh, — so hat man das Bild einer pohlnischen Bauernstube, und unserer Quartiere in Pohlen.
Viertes Capitel.
Unsere Cantonnirung bey Neidenburg währte nur 3. Tage, nach deren Verfluß wir durch die nachrückenden Bayern um einen {617} 617 Die Worte „um einen“ werden auf Seite 26 wiederholt.
// S. 26// Tagmarsch weiter vorgeschoben wurden. Zwischen Passenheim und Wartenburg wurden die Cantonnirungsquartiere auf's Neue aufgeschlagen. Mich führte ein gutes Glück in das Haus des Gutsbesitzers Frey tag in Pattaunen, wo ich 12. recht angenehme Tage verlebte. Meine Genügsamkeit und Sorge für Erhaltung einer guten Mannszucht hatten die Freytag'sc he Familie sehr für mich eingenommen, und nur ungern ließ sie mich scheiden. Aber meines Bleibens war hier nicht, und so zog ich denn am 23.ten May, von den herzlichen Glückwünschen dieser guten Leute begleitet, ab, um bey Rössel in eine neue Cantonnirung zu gehen. Tags darauf wurde ich mit einem Commando von 12. Mann zur Unterhaltung der Communication mit den Vorposten nach Goldap geschickt, wo ich an dem schönen grosen Kloster, dieh[eilige] Linde genannt, vorbey über Rastenburg und Angerburg am 26.ten ankam, nachdem ich unterwegs noch mehrere reiche Domänen, sogenannte Aemter, wie Popiollen und Sperling, gesehen hatte. Dort löste ich den preussischen Husaren-Lieutenant v[on] Teschen ab, und hatte ausser meiner Hauptstation noch 2. Nebenstationen zu besetzen. Durch einen Aufenthalt von 8. Tagen, während welcher Zeit ich bey dem braven Amtmann Reutter von Waldaukadel im Quartier stand, waren mir mein Wirth, der Justiz-Amtmann und Bürgermeister der Stadt, so lieb geworden, daß ich mich ungern von ihnen trennte. Ich hatte bey den Ostpreussen mehr guten Willen, mehr // S. 27// Offenheit und Herzlichkeit gefunden, als bey den Brandenburgern. Der Theil von Ostpreussen, den ich bis daher gesehen hatte, ist meistens sehr fruchtbar; der Städter und Landmann lebt zwar nicht im Ueberfluß, doch meistens ohne grose Nahrungssorgen. Die Städte sind gut gebaut, und man sieht einzelne geschmackvolle Häuser. Was mir besonders gefiel, sind die sehr großen Marktplätze, sogenannte Ringe, in den Städten, worauf die Bewohner einen sehr grossen Werth zu legen scheinen. Die Dörfer zeugen von ziemlicher Armuth, ohne jedoch eigentlich ärmlich zu seyn, und sind meistens rein gehalten.
Fünftes Capitel.
Bis hieher hatte ich, den Marsch durch Pohlen ausgenommen, gute Tage verlebt, und in meinem ganzen bisherigen Leben zählte ich wenige Tage des Leidens, aber keine der Noth. Jetzt sollte ich alle erdenklichen — die gräßlichsten Scenen des Unglücks, Jammers und Elends nicht nur sehen, sondern selbst fühlen. Hievon aber war noch kein Gedanke in mir. Die goldenen Träume von Rußland waren zwar durch die Erzählungen der Pohlen und Preussen entschwunden, und ich war nüchtern geworden, aber weder ich, noch andere hatten nur eine Idee von dem Gräßlichen, das uns bevorstand. // S. 28//
Mit minder leichtem Mute trat ich am 4. Juny den Marsch nach Olezko an. Nach einigen Tagen traf ich mit meinem Regiment zusammen, und betrat am 14.ten zum zweytenmale das Herzogthum Warschau. In Würballen wurde uns noch etliche Tage Ruhe gegönnt, die zur Requisition von Lebensmitteln aus der Umgegend benützt wurde. Auf Napoleons Befehl versah sich jedes Regiment auf 23. Tage mit Lebensmitteln. Starke Commandos durchzogen diesen ganzen Theil des Herzogthums Warschau, durchsuchten die Häuser, nahmen an Lebensmitteln, was zu finden war, und liessen den Einwohnern nur einen 8tägigen Bedarf. Auch ich hatte eines jener empörenden Commandos, und noch ergreift mich beym Gedanken an dasselbe ein Schauer. 8. Tage nachher beym Uebergang über den Niemen wurde der grössere Theil dieses Raubes stehen gelassen, ob auf höhern Befehl, oder Veranstaltung der französischen Commissärs, weiß ich nicht, so viel aber ist gewiß, daß diese die Ungeheuern Vorräthe nachher um grose Summen verkauften.
Am 18. Juny fieng die große Armee an, sich näher zusammen zu drängen, und große Truppenmassen schoben sich gegen die Ufer des Niemens hin. Ein kleines Intermezzo machte noch bey Mariampol die Heerschau des Divisions-Generals Montbrun über etwa 10,000. Mann Cavallerie, aber noch am nämlichen Tage glaubten wir den Feldzug eröffnen zu müssen, da wir // S. 29// mehrere Stunden in ausgesetztem Trabe vorrückten. Am 22. und 23. Juny wälzten sich endlich über die weitausgedehnten Ebenen dicht gedrängt unabsehbare Massen an den Gränzfluß vollends hinan, und harrten nun des Zeichens zum Uebergang. Schon mehrere Tagmärsche hatte die französische Armee ihren Zug durch Raub und Verwüstung des armen Landes bezeichnet, wie sollte es nun in Feindes Land werden?
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