Томас Манн - Немецкий язык с Томасом Манном. Тонио Крёгер
- Название:Немецкий язык с Томасом Манном. Тонио Крёгер
- Автор:
- Жанр:
- Издательство:неизвестно
- Год:неизвестен
- ISBN:нет данных
- Рейтинг:
- Избранное:Добавить в избранное
-
Отзывы:
-
Ваша оценка:
Томас Манн - Немецкий язык с Томасом Манном. Тонио Крёгер краткое содержание
Немецкий язык с Томасом Манном. Тонио Крёгер - читать онлайн бесплатно полную версию (весь текст целиком)
Интервал:
Закладка:
1 «Ein menschlicher Freund! Wollen Sie glauben, dass es mich stolz und glücklich machen würde, unter Menschen einen Freund zu besitzen? Aber bislang habe ich nur unter Dämonen, Kobolden, tiefen Unholden und erkenntnisstummen Gespenstern, das heißt: unter Literaten Freunde gehabt.
2 «Zuweilen gerate ich auf irgendein Podium, finde mich in einem Saale Menschen gegenüber, die gekommen sind, mir zuzuhören. Sehen Sie, dann geschieht es, dass ich mich bei einer Umschau im Publikum beobachte, mich ertappe, wie ich heimlich im Auditorium umherspähe, mit der Frage im Herzen, wer es ist, der zu mir kam, wessen Beifall und Dank zu mir dringt, mit wem meine Kunst mir hier eine ideale Vereinigung schafft ... Ich finde nicht, was ich suche, Lisaweta. Ich finde die Herde und Gemeinde, die mir wohlbekannt ist, eine Versammlung von ersten Christen gleichsam: Leute mit ungeschickten Körpern und feinen Seelen, Leute, die immer hinfallen, sozusagen, Sie verstehn mich, und denen die Poesie eine sanfte Rache am Leben ist - immer nur Leidende und Sehnsüchtige und Arme und niemals jemand von den anderen, den Blauäugigen, Lisaweta, die den Geist nicht nötig haben! ...
3 «Und wäre es nicht zuletzt ein bedauerlicher Mangel an Folgerichtigkeit, sich zu freuen, wenn es anders wäre? Es ist widersinnig, das Leben zu lieben und dennoch mit allen Künsten bestrebt zu sein, es auf seine Seite zu ziehen, es für die Finessen und Melancholien, den ganzen kranken Adel der Literatur zu gewinnen. Das Reich der Kunst nimmt zu, und das der Gesundheit und Unschuld nimmt ab auf Erden. Man sollte, was noch davon übrig ist, aufs Sorgfältigste konservieren, und man sollte nicht Leute, die viel lieber in Pferdebüchern mit Momentaufnahmen lesen, zur Poesie verführen wollen!
1 «Denn schließlich, - welcher Anblick wäre kläglicher (какой вид был бы более жалким) als der des Lebens, wenn es sich in der Kunst versucht? Wir Künstler verachten niemand gründlicher als den Dilettanten, den Lebendigen, der glaubt, obendrein (сверх того, к тому же) bei Gelegenheit (при случае, при возможности) einmal ein Künstler sein zu können. Ich versichere (уверяю) Sie, diese Art von Verachtung gehört zu meinen persönlichsten Erlebnissen. Ich befinde mich in einer Gesellschaft in gutem Hause, man isst, trinkt und plaudert, man versteht sich aufs Beste (наилучшим образом), und ich fühle mich froh und dankbar, eine Weile unter harmlosen und regelrechten Leuten als ihresgleichen (среди безобидных и подлинных как подобный им, как один из них; regelrecht - подлинный, настоящий) verschwinden zu können. Plötzlich (dies ist mir begegnet (это случалось со мной)) erhebt sich ein Offizier, ein Leutnant, ein hübscher und strammer (подтянутый, крепкий; stramm - туго натянутый, облегающий) Mensch, dem ich niemals eine seines Ehrenkleides unwürdige Handlungsweise zugetraut hätte (которог я бы никогда не заподозрил в образе действий, недостойных его мундира: «почетного платья»), und bittet mit unzweideutigen Worten um die Erlaubnis, uns einige Verse mitzuteilen, die er angefertigt habe (изготовил = сочинил). Man gibt ihm, mit bestürztem Lächeln (со смущенной, растерянной улыбкой), diese Erlaubnis, und er führt sein Vorhaben aus (осуществляет свое намерение), indem er von einem Zettel, den er bis dahin in seinem Rockschoss (в кармане мундира; der Rock - мундир + der Schoss - лоно) verborgen gehalten hat, seine Arbeit vorliest, etwas an die Musik und die Liebe, kurzum, ebenso tief empfunden wie unwirksam (столь же глубоко прочувствованое, сколь недейственное, не могущее воздействовать /на публику/). Nun bitte ich aber jedermann (ну, скажите на милость): ein Leutnant! Ein Herr der Welt! Er hätte es doch wahrhaftig nicht nötig (вот уж, действительно, не надо бы ему было этого делать; wahrhaftig - действительно, и вправду) ...! Nun, es erfolgt (дальше следует), was erfolgen muss: Lange Gesichter (вытянутые физиономии), Stillschweigen, ein wenig künstlicher Beifall und tiefstes Missbehagen (неприятное чувство, недовольство, досада; das Behagen - приятное чувство, довольство) ringsum. Die erste seelische Tatsache (первое душевное движение: «факт»), deren ich mir bewusst werde (который я осознаю), ist die, dass ich mich mitschuldig fühle an der Verstörung (чувствую себя тоже виноватым в замешательстве, расстроенности), die dieser unbedachte junge Mann über die Gesellschaft gebracht (навлек на общество); und kein Zweifel: auch mich, in dessen Handwerk er gepfuscht hat (в чье ремесло он /не имея на это цехового права/ влез, чье ремесло он испоганил), treffen spöttische (насмешливые) und entfremdete Blicke. Aber die zweite besteht darin, dass dieser Mensch, vor dessen Sein und Wesen ich soeben noch den ehrlichsten Respekt empfand (пред которым: «пред бытием и сущностью которого» я только что испытывал искреннейшее уважение), in meinen Augen plötzlich sinkt (начинает падать: «погружаться»), sinkt, sinkt ... Ein mitleidiges Wohlwollen fasst mich an (сострадательная благожелательность охватывает меня). Ich trete, gleich einigen anderen beherzten (подобно нескольким другим смелым, решительным) und gutmütigen (добродушным) Herren, an ihn heran und rede ihm zu. 'Meinen Glückwunsch', sage ich, 'Herr Leutnant! Welch hübsche Begabung! Nein, das war allerliebst (прелестно: «милейше»)!' Und es fehlt nicht viel (и еще бы немного: «не хватает немногого»), dass ich ihm auf die Schulter klopfe (чтобы я похлопал его по плечу) = (чуть было не хлопаю его по плечу). Aber ist Wohlwollen die Empfindung, die man einem Leutnant entgegenzubringen hat? ... Seine Schuld! Da stand er und büßte in großer Verlegenheit den Irrtum (и несет и в великом смущении несет наказание за заблуждение; büßen - поплатиться, понести наказание; (по)каяться), dass man ein Blättchen pflücken (листочек сорвать) dürfe, ein einziges, vom Lorbeerbaume (с лаврового дерева; der Lorbeer) der Kunst, ohne mit seinem Leben dafür zu zahlen. Nein, da halte ich es mit meinem Kollegen (тут уж я предпочитаю /другого/ моего коллегу), dem kriminellen Bankier. - Aber finden Sie nicht, Lisaweta, dass ich heute von einer hamletischen Redseligkeit bin (что я сегодня одержим гамлетовской словоохотливостью)?»
2 «Sind Sie nun fertig, Tonio Kröger?»
3 «Nein. Aber ich sage nichts mehr.»
4 «Und es genügt auch. - Erwarten Sie eine Antwort?»
5 «Haben Sie eine?»
6 «Ich dächte doch (пожалуй, да). - Ich habe Ihnen gut zugehört, Tonio, von Anfang bis zu Ende, und ich will Ihnen die Antwort geben, die auf alles passt, was Sie heute Nachmittag gesagt haben, und die die Lösung ist für das Problem, das Sie so sehr beunruhigt hat. Nun also! Die Lösung ist die, dass Sie, wie Sie da sitzen, ganz einfach ein Bürger (обыватель: «гражданин») sind.»
7 «Bin ich?» fragte er und sank ein wenig in sich zusammen (сник немного) ...
8 «Nicht wahr, das trifft Sie hart (больно вас задело: «попало в вас»), und das muss es ja auch. Und darum will ich den Urteilsspruch um etwas mildern (и поэтому я слегка смягчу приговор; das Urteil - суждение; приговор), denn das kann ich. Sie sind ein Bürger auf Irrwegen (заблудившийся, блуждающий обыватель), Tonio Kröger, - ein verirrter (заблудший) Bürger.»
9 - Stillschweigen. Dann stand er entschlossen auf und griff nach Hut und Stock.
10 «Ich danke Ihnen, Lisaweta Iwanowna; nun kann ich getrost (спокойный, уверенный /высок./) nach Hause gehn. Ich bin erledigt (я «завершен», «кончен», со мной все ясно, покончено).»
1 «Denn schließlich, - welcher Anblick wäre kläglicher als der des Lebens, wenn es sich in der Kunst versucht? Wir Künstler verachten niemand gründlicher als den Dilettanten, den Lebendigen, der glaubt, obendrein bei Gelegenheit einmal ein Künstler sein zu können. Ich versichere Sie, diese Art von Verachtung gehört zu meinen persönlichsten Erlebnissen. Ich befinde mich in einer Gesellschaft in gutem Hause, man isst, trinkt und plaudert, man versteht sich aufs Beste, und ich fühle mich froh und dankbar, eine Weile unter harmlosen und regelrechten Leuten als ihresgleichen verschwinden zu können. Plötzlich (dies ist mir begegnet) erhebt sich ein Offizier, ein Leutnant, ein hübscher und strammer Mensch, dem ich niemals eine seines Ehrenkleides unwürdige Handlungsweise zugetraut hätte, und bittet mit unzweideutigen Worten um die Erlaubnis, uns einige Verse mitzuteilen, die er angefertigt habe. Man gibt ihm, mit bestürztem Lächeln, diese Erlaubnis, und er führt sein Vorhaben aus, indem er von einem Zettel, den er bis dahin in seinem Rockschoss verborgen gehalten hat, seine Arbeit vorliest, etwas an die Musik und die Liebe, kurzum, ebenso tief empfunden wie unwirksam. Nun bitte ich aber jedermann: ein Leutnant! Ein Herr der Welt! Er hätte es doch wahrhaftig nicht nötig ...! Nun, es erfolgt, was erfolgen muss:
Lange Gesichter, Stillschweigen, ein wenig künstlicher Beifall und tiefstes Missbehagen ringsum. Die erste seelische Tatsache, deren ich mir bewusst werde, ist die, dass ich mich mitschuldig fühle an der Verstörung, die dieser unbedachte junge Mann über die Gesellschaft gebracht; und kein Zweifel: auch mich, in dessen Handwerk er gepfuscht hat, treffen spöttische und entfremdete Blicke. Aber die zweite besteht darin, dass dieser Mensch, vor dessen Sein und Wesen ich soeben noch den ehrlichsten Respekt empfand, in meinen Augen plötzlich sinkt, sinkt, sinkt ... Ein mitleidiges Wohlwollen fasst mich an. Ich trete, gleich einigen anderen beherzten und gutmütigen Herren, an ihn heran und rede ihm zu. 'Meinen Glückwunsch', sage ich, 'Herr Leutnant! Welch hübsche Begabung! Nein, das war allerliebst!' Und es fehlt nicht viel, dass ich ihm auf die Schulter klopfe. Aber ist Wohlwollen die Empfindung, die man einem Leutnant entgegenzubringen hat? ... Seine Schuld! Da stand er und büßte in großer
Verlegenheit den Irrtum, dass man ein Blättchen pflücken dürfe, ein einziges, vom
Lorbeerbaume der Kunst, ohne mit seinem Leben dafür zu zahlen. Nein, da halte ich es mit meinem Kollegen, dem kriminellen Bankier. - Aber finden Sie nicht, Lisaweta, dass ich heute von einer hamletischen Redseligkeit bin?»
2 «Sind Sie nun fertig, Tonio Kröger?»
3 «Nein. Aber ich sage nichts mehr.»
4 «Und es genügt auch. - Erwarten Sie eine Antwort?»
5 «Haben Sie eine?»
6 «Ich dächte doch. - Ich habe Ihnen gut zugehört, Tonio, von Anfang bis zu Ende, und ich will Ihnen die Antwort geben, die auf alles passt, was Sie heute Nachmittag gesagt haben, und die die Lösung ist für das Problem, das Sie so sehr beunruhigt hat. Nun also! Die Lösung ist die, dass Sie, wie Sie da sitzen, ganz einfach ein Bürger sind.»
Читать дальшеИнтервал:
Закладка: